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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies
Autoren: Patrick Ness
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erstaunliches kleines Ding«, sagt der Bürgermeister. »Ich freue mich schon auf den Moment, in dem die übrigen Siedler landen. Ich bin neugierig, welche Wunderwerke sie diesmal mitbringen.«
    Ich sage kein Wort, sondern klettere auf einen Schutthügel und halte das Fernglas mit meiner freien Hand an die Augen. Ungeschickt versuche ich, auf Nachtsicht umzuschalten. Es ist schon so lange her …
    Ich finde den richtigen Knopf.
    Das Tal taucht vor mir auf als ein Muster aus grünen und weißen Schemen in der Dunkelheit.
    Ich richte das Fernglas, folge dem Fluss bis zur Serpentinenstraße, bis zu den Lichtpunkten, die den Berg herunterkommen.
    Und …
    Und …
    Oh mein Gott.
    Ich höre, wie der Bürgermeister, der noch immer auf dem Stuhl festgebunden ist, hinter mir lacht. »Oh ja, Todd, das bildest du dir nicht ein.«
    Einen Augenblick lang verschlägt es mir die Sprache.
    Dafür gibt es keine Worte.
    Wie?
    Wie ist das nur möglich?
    Eine Armee von Spackle marschiert auf die Stadt zu.
    Einige von ihnen, die in der vordersten Linie, reiten auf riesigen Viechern, die in einer Art Rüstung stecken und auf deren Nase ein gebogenes Horn sitzt. Hinter ihnen marschieren Fußsoldaten, denn sie kommen nicht in freundlicher Absicht, nein, mein Lieber, ganz und gar nicht, sie marschieren die Serpentinen herab vom Hügelkamm, oben, bei den Wasserfällen.
    Es sind Truppen, die in die Schlacht marschieren.
    Und es sind Tausende von Kämpfern.
    »Aber«, stoße ich keuchend hervor, »aber sie wurden doch alle getötet – im Spackle-Krieg!«
    »Glaubst du das wirklich, Todd?«, fragt der Bürgermeister. »Dass kein einziger Spackle übrig geblieben ist auf diesem ganzen Planeten, von dem wir nur einen kleinen Flecken bewohnen? Kommt dir das nicht auch unwahrscheinlich vor?«
    Die Lichter, die ich gesehen habe, sind Fackeln, die berittene Spackle tragen. Brennende Fackeln, die der Armee den Weg weisen. Brennende Fackeln, die ihren Schein auf die Speere werfen, die die Soldaten mit sich führen, auf Pfeile und Bogen und Keulen.
    Alle sind sie bewaffnet.
    »Oh ja, wir haben sie besiegt«, sagt der Bürgermeister. »Wir haben Tausende von ihnen getötet, gewiss. Sie waren weit in der Überzahl, aber wir hatten die besseren Waffen und den stärkeren Siegeswillen. Wir haben sie aus diesem Land vertrieben, und wir waren überzeugt davon, dass sie nie wieder hierher zurückkehren würden. Natürlich haben wir einige von ihnen als Sklaven gehalten, damit sie nach dem Krieg die Stadt wieder aufbauten. Das war nur recht und billig.«
    Die ganze Stadt ist inzwischen ein einziges Dröhnen . Der Marschtritt der Armee ist verstummt, aber stattdessen höre ich, wie die Leute hin und her rennen, sich gegenseitig etwas zuschreien, Sätze, deren Sinn ich nicht verstehe, Sätze, die Unglauben und Angst ausdrücken.
    Ich klettere durch das Trümmerfeld zurück und stoße ihm das Gewehr mit aller Kraft zwischen die Rippen. »Warum sind sie zurückgekommen? Warum gerade jetzt?«
    Er hört nicht auf zu grinsen. »Ich nehme an, sie hatten inzwischen Zeit genug, um sich zu überlegen, wie sie uns ein für alle Mal loswerden können. Sie haben wohl nur auf einen Grund zum Losschlagen gewartet.«
    »Welchen Grund?«, frage ich. »Warum …«
    Und dann verstumme ich.
    Das Massaker.
    Das Massaker, das kein einziger Sklave überlebt hat.
    Ihre Körper, die man wie Müll aufgetürmt hat.
    »Ganz genau, Todd«, sagt er und nickt, so als hätten wir uns gerade über das Wetter unterhalten. »Ich bin überzeugt, das war der Grund, bist du nicht auch dieser Meinung?«
    Ich schaue ihn lange an, es dämmert mir wie üblich viel zu spät.
    »Ihr wart das«, sage ich dann. »Natürlich, Ihr wart das. Ihr habt die Spackle getötet, und es sollte so aussehen, als wäre es die Antwort gewesen.« Ich stoße ihm den Gewehrlauf gegen die Brust. »Ihr habt gehofft, dass sie zurückkommen würden.«
    Er zuckt die Achseln. »Ich habe gehofft, dass ich sie ein für alle Mal besiegen könnte, in der Tat.« Er spitzt die Lippen. »Aber jetzt muss ich dir dafür danken, dass du die Umsetzung meines Plans so ungemein beschleunigt hast.«
    »Ich?«, frage ich.
    »Oh ja, niemand anders als du, Todd. Ich habe alles vorbereitet. Aber du hast ihnen einen Boten geschickt.«
    »Einen Boten?«
    Nein.
    Nein.
    Ich drehe mich um und klettere auf den Schuttberg, spähe durchs Fernglas, spähe und spähe und spähe.
    Es sind viel zu viele und sie sind zu weit weg.
    Aber er ist dort, nicht
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