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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies
Autoren: Patrick Ness
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zuwerfen.
    Sie sind auf der Flucht vor der Antwort .
    »Was zum Teufel hat sie vor?«, frage ich mich laut.
    Feuer , denkt Acorn und scharrt nervös mit den Hufen.
    »Sie brennt alles nieder«, beantworte ich meine eigene Frage. »Sie brennt alles nieder.«
    Aber warum?
    Warum?
    »Acorn«, sage ich, doch plötzlich tönt ein Signalhorn tief und laut durchs ganze Tal.
    Acorn wiehert kurz, ich höre nichts in seinem Lärm, nur Angst blitzt darin auf und ein heftiges Entsetzen, das ich auch in den leisen, ungläubigen Aufschreien der Menschen höre, die an uns vorbeilaufen. Manche schreien laut, sie bleiben stehen, blicken zurück, zur Stadt und auf das, was dahinterliegt.
    Auch ich drehe mich um, obwohl es schon so dunkel ist, dass ich nicht mehr viel erkennen kann.
    Ich sehe Lichter in der Ferne, Lichter, die sich die Straße bei den Wasserfällen herunterschlängeln.
    Es ist nicht die Straße, auf der die Armee marschiert.
    »Was ist das?«, frage ich niemanden und alle. »Was haben diese Lichter zu bedeuten? Und was ist das für ein Geräusch?«
    Ein Mann bleibt neben mir stehen, ich höre deutlich seinen Lärm, er wirbelt vor Schrecken, vor Unglauben, vor nackter Angst. »Nein«, flüstert er, »nein, das kann nicht sein.«
    »Was ist?«, frage ich ihn. »Was geht hier vor?«
    Wieder hallt der lang gezogene, tiefe Signalton durchs Tal.
    Es klingt, als verkündete er das Ende der Welt.

Der Anfang
    [TODD]
    Ich habe ihm die Handfesseln noch nicht ganz angelegt, da kommt der Bürgermeister wieder zu sich.
    Er stöhnt, und Lärm strömt aus ihm hervor, es ist das erste Mal, dass ich seine Gedanken höre, jetzt, da er sich nicht unter Kontrolle hat.
    Jetzt, da er geschlagen ist.
    »Nicht geschlagen«, murmelt er. »Nur vorübergehend außer Gefecht gesetzt.«
    »Schnauze«, sage ich und zurre das Seil fester.
    Ich stelle mich vor ihn hin. Sein Blick ist noch verschwommen, aber er zwingt sich zu einem Lächeln.
    Ich schlage ihm den Gewehrkolben ins Gesicht.
    »Wenn ich auch nur einen Fetzen Lärm höre, der gegen mich gerichtet ist …«, sage ich drohend und richte den Lauf auf ihn.
    »Ich weiß«, antwortet der Bürgermeister und grinst mich mit seinem blutverschmierten Mund an. »Du würdest abdrücken, nicht wahr?«
    Ich gebe keine Antwort.
    Das ist meine Antwort.
    Der Bürgermeister seufzt und streckt den Kopf vor, um seine Nackenmuskeln zu lockern. Er blickt hinauf zu dem Fenster aus farbigem Glas, das wundersamerweise noch immer intakt ist und von einer einzelnen, freistehenden Wand gehalten wird. Hinter dem Fenster gehen gerade die Monde auf und erhellen ein wenig die in Glas gefassten Bilder.
    »Da sind wir also wieder, Todd«, sagt er. »Hier in diesem Raum, in dem wir uns zum ersten Mal richtig unterhalten haben.« Er blickt sich um, aber diesmal ist er an den Stuhl gefesselt und ich bin frei. »Die Dinge ändern sich«, sagt er, »aber im Grunde bleibt alles beim Alten.«
    »Ich habe keine Lust, Euch zuzuhören, während wir hier warten.«
    »Warten? Worauf?« Er wird jetzt immer wacher.
    Und sein Lärm verstummt.
    »Das würdest du auch gerne können, nicht wahr?«, fragt er. »Nur einmal an etwas denken, ohne dass andere es wissen.«
    »Schnauze, hab ich gesagt.«
    »Gerade jetzt denkst du an die Armee.«
    »Schluss jetzt.«
    »Du fragst dich, ob die Soldaten auf dich hören werden. Du fragst dich, ob Violas Leute euch helfen können.«
    »Ich schlage gleich noch mal mit diesem verdammten Gewehrkolben zu.«
    »Du fragst dich, ob du tatsächlich gewonnen hast.«
    »Ich habe tatsächlich gewonnen«, sage ich sofort. »Und das wisst Ihr genau.«
    In der Ferne ist eine laute Detonation zu hören, dann noch eine.
    »Sie zerstört einfach alles«, sagt der Bürgermeister und blickt in die Richtung, aus der das Geräusch kam. »Interessant.«
    »Wer zerstört alles?«, frage ich.
    »Du hast Mistress Coyle wohl nie kennengelernt, oder?« Er streckt eine Schulter vor, um sie zu lockern, dann die andere. »Bemerkenswerte Frau, bemerkenswerte Gegnerin. Sie wäre tatsächlich in der Lage gewesen, mich zu schlagen. Sie hätte es wirklich gekonnt.« Er lächelt. »Aber du bist ihr offenbar zuvorgekommen.«
    »Was wollt Ihr damit sagen: ›Sie zerstört einfach alles‹?«
    »Ich meine wie immer genau das, was ich sage.«
    »Warum sollte sie das tun? Warum sollte sie Dinge einfach so in die Luft sprengen?«
    »Aus zwei Gründen«, antwortet er. »Erstens: Sie verbreitet Chaos. Auf diese Weise kann man sie viel schwerer
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