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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies
Autoren: Patrick Ness
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mich an den Schultern, setzt mich auf und sagt zu mir: »Bist du verletzt, bist du verletzt, bist du verletzt?«
    Und ich antworte nur: »Er hat noch das Gewehr …«
    Und Todd dreht sich um.
    [TODD]
    Ich drehe mich um. Der Bürgermeister steht wieder auf und schaut mich an. Sein Lärm stürmt auf mich ein, und ich gehe in Deckung, ich weiche ihm aus, aber ich höre, wie er mir folgt, als ich über die Trümmer dorthin zurückkrieche, wo ich mein Gewehr fallen gelassen habe, und …
    Und wieder höre ich einen Schuss.
    Direkt vor meinen Händen wird Staub aufgewirbelt.
    Vor meinen Händen, die gerade nach der Waffe greifen wollten.
    Ich schaue hoch.
    Er sieht direkt zu mir herüber.
    Ich höre, wie sie wieder meinen Namen ruft.
    Ich weiß, sie hat es verstanden.
    Sie hat verstanden, dass sie meinen Namen rufen muss.
    Und dass ich ihren als Waffe benutzen kann.
    »Tu’s nicht«, sagt der Bürgermeister und nimmt mich ins Visier.
    Ich höre seine Stimme in meinem Kopf.
    Diesmal ist es kein Angriff.
    Es ist seine Stimme, die auf einmal verführerisch klingt, schlangenhaft, geschmeidig. Die Stimme, die mit meinen Entscheidungen macht, was sie will.
    »Du wirst aufhören zu kämpfen«, sagt er.
    Er kommt einen Schritt näher.
    »Du wirst aufhören zu kämpfen und dann wird alles ein Ende haben.«
    Ich wende mich ab.
    Aber dann muss ich mich gleich wieder zu ihm umdrehen.
    Ich muss ihm in die Augen schauen.
    »Hör mir zu, Todd.«
    Und seine Stimme zischelt zwischen meinen Ohren.
    Es wäre so einfach jetzt …
    … einfach …
    … einfach nachzugeben.
    Nachzugeben und zu machen, was er sagt.
    Nein!, will ich schreien.
    Aber ich kriege den Mund nicht auf.
    Und er ist immer noch da drin.
    Er will immer noch, dass ich …
    Und ich will … Ich will …
    DU BIST NICHTS .
    Ich bin nichts.
    »So ist es gut«, sagt der Bürgermeister. Er kommt näher, seine Flinte ist auf mich gerichtet. »Du bist nichts.«
    Ich bin nichts.
    »Aber …«, sagt er.
    Seine Stimme ist ein Flüstern, das an etwas rührt.
    »Aber …«, sagt er, »ich werde etwas aus dir machen.«
    Und ich schaue ihm in die Augen.
    Sie sind wie ein Abgrund, in dem ich versinke.
    Ein Abgrund aus Finsternis.
    Und aus meinen Augenwinkeln …
    (VIOLA)
    Ich schleudere den Stein mit aller Kraft, die ich noch habe, und in dem Moment, in dem ich ihn loslasse, bete ich, dass ich so gut treffen kann, wie Lee vorhergesagt hat.
    Ich bete, bitte: Lieber Gott …
    … wenn es dich gibt …
    Bitte …
    Und der Stein trifft den Bürgermeister genau an der Schläfe.
    [TODD]
    Ich fühle einen entsetzlichen Ruck, so als würde man einen Fetzen aus meinem Lärm herausreißen.
    Und dann ist der Abgrund verschwunden.
    Einfach weg.
    Der Bürgermeister torkelt zur Seite, er hält sich die Schläfe, Blut rinnt zwischen seinen Fingern hervor.
    »Todd!«, schreit Viola.
    Ich blicke zu ihr hinüber.
    Sie hält noch den Arm ausgestreckt, mit dem sie den Stein geschleudert hat.
    Ich sehe sie.
    Meine Viola.
    Und ich komme wieder auf die Beine.
    (VIOLA)
    Er kommt auf die Beine.
    Er richtet sich auf.
    Ich rufe wieder seinen Namen.
    »Todd!«
    Denn es bewirkt etwas.
    Es bewirkt etwas bei ihm.
    Es bewirkt etwas für ihn.
    Der Bürgermeister hat Unrecht.
    Er wird niemals Recht behalten.
    Es stimmt nicht, dass man niemals etwas so lieben darf, dass es Macht über einen gewinnt.
    Im Gegenteil, man muss etwas oder jemanden so sehr lieben, dass nichts anderes Macht über einen gewinnen kann.
    Das ist keine Schwäche.
    Es ist die größte Kraft, die man besitzen kann.
    »Todd!«, rufe ich wieder.
    Er blickt zu mir.
    In seinem Lärm höre ich meinen Namen.
    Und ich weiß es.
    Tief in meinem Innersten bin ich davon überzeugt.
    Gerade jetzt.
    Todd Hewitt.
    Gemeinsam schaffen wir alles.
    Und wir werden siegen.
    [TODD]
    Der Bürgermeister blickt auf, Blut rinnt zwischen seinen Fingern hervor, die er gegen seine Schläfe presst.
    Halb gebückt dreht er sich um, sieht mich finster an.
    Und hier kommt schon sein Lärm.
    Viola!
    Ich wehre seinen Lärm ab.
    Er zuckt zurück.
    Aber er versucht es erneut.
    VIOLA!
    »Ihr könnt nicht gegen uns gewinnen«, sage ich.
    »Ich kann«, stößt er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Und ich werde es.«
    VIOLA!
    Er zuckt zusammen.
    Er will die Waffe anlegen.
    Ich wehre mich mit aller Kraft.
    VIOLA!
    Er lässt sein Gewehr fallen und torkelt.
    Ich höre, wie sein Lärm kommt, wie er sich in mich einschleichen will.
    Aber sein Kopf tut ihm so weh.
    Von meinen
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