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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies
Autoren: Patrick Ness
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in sein Gesicht geschrieben.
    Er fasst nach der Wunde …
    … und hustet wieder …
    … und würgt.
    Auch Todd sieht jetzt den Bürgermeister an.
    Sein Lärm schäumt.
    »Was habt Ihr getan?«, schreit er.
    [TODD]
    »Was habt Ihr getan?«, schreie ich.
    »Ich habe ihn aus der Gleichung gestrichen«, entgegnet der Bürgermeister in aller Ruhe.
    »Pa?«, sagt Davy fragend und streckt ihm seine blutverschmierte Hand entgegen.
    Aber sein Vater sieht nur mich an.
    »Du bist immer mein wahrer Sohn gewesen, Todd«, fährt der Bürgermeister fort. »Derjenige, der es zu etwas bringen kann, der Kraft und Durchsetzungsvermögen hat, derjenige, auf den ich stolz sein kann, wenn er an meiner Seite ist.«
    Pa? , fragt Davys Lärm. Und er muss sich das jetzt alles anhören …
    »Du verdammtes Ungeheuer!«, brülle ich laut. »Ich bring dich um …«
    »Du wirst mit mir gehen«, sagt der Bürgermeister. »Und das weißt du auch. Es ist nur eine Frage der Zeit. David war ein Schwächling, er hat nur Schwierigkeiten gemacht.«
    »Halt die Klappe!«, schreie ich.
    Todd?
    Ich schaue hinunter.
    Davy blickt zu mir auf.
    Sein Lärm ist wie ein Strudel.
    Ein Strudel aus Fragezeichen und Bestürzung und Angst …
    Todd?
    Todd?
    Es tut mir leid.
    Es tut mir leid.
    »Davy, du darfst nicht …«, will ich sagen.
    Aber sein Lärm ist ein einziger Wirbel.
    Und ich sehe …
    Ich sehe die Wahrheit in ihm.
    Wenigstens jetzt …
    Wenigstens jetzt lässt er mich die Wahrheit sehen.
    Alles, was er mir bis jetzt verschwiegen hat.
    Über Ben …
    Alles wirbelt in einem wilden Durcheinander vorüber.
    Bilder von Ben, wie er auf Davy zurennt.
    Bilder von Davys Pferd, das sich aufbäumt.
    Bilder von Davy, der im Fallen sein Gewehr abfeuert.
    Bilder von der Kugel, die Ben in die Brust trifft.
    Bilder von Ben, der auf das Gebüsch zutorkelt.
    Davy, der viel zu viel Angst hat, um ihm zu folgen.
    Davy, der viel zu viel Angst hat, mir später einfach die Wahrheit zu sagen.
    Nachdem ich zum einzigen Freund geworden bin, den er je hatte.
    Ich hab das nicht gewollt , sagt sein Lärm.
    »Davy …«, sage ich.
    Es tut mir leid , denkt er.
    Und das ist die reine Wahrheit.
    Es tut ihm wirklich leid.
    Alles tut ihm leid.
    Prentisstown tut ihm leid.
    Viola tut ihm leid.
    Ben tut ihm leid.
    Jeder Misserfolg, jeder Fehler tut ihm leid.
    Dass er seinen Vater enttäuscht hat, tut ihm leid.
    Und er blickt zu mir hoch.
    Und er bittet mich.
    Als wäre ich der Einzige, der ihm vergeben könnte.
    Als hätte nur ich die Macht, ihm zu vergeben.
    Todd?
    Bitte.
    Alles, was ich antworten kann, ist: »Davy …«
    Denn die Angst und das Entsetzen, die ich in seinem Lärm lese, sind zu viel für mich.
    Es ist zu viel …
    Und dann ist es vorbei.
    Davy sackt zusammen, seine Augen sind noch geöffnet, sie starren mich an, seine Augen flehen mich noch immer (ich schwöre es) um Vergebung an.
    Und jetzt liegt er regungslos da.
    Davy Prentiss ist tot.
    (VIOLA)
    »Ihr seid wahnsinnig«, sage ich zum Bürgermeister, der hinter mir steht.
    »Nein«, sagt er. »Ihr beiden hattet Recht. Liebt nie etwas so sehr, dass man es dazu benutzen kann, um Macht über euch zu gewinnen.«
    Die Sonne ist inzwischen untergegangen, aber der Himmel schimmert noch rötlich, das Dröhnen der Stadt ist immer noch da, und in der Ferne hört man wieder einen Knall, der anzeigt, dass die Antwort näher rückt. Und inzwischen muss auch das Schiff gelandet sein. Sicher gehen gerade die Luken auf. Irgendwer, vielleicht Simone Watkin oder Bradley Tench, auf jeden Fall jemand, den ich kenne, jemand, der mich kennt, schaut gerade heraus und fragt sich, was das wohl für ein Ort sein mag, an dem das Schiff da gelandet ist.
    Und Todd kniet gebeugt über dem toten Davy Prentiss.
    Und dann sieht er auf.
    In seinem Lärm brodelt es und ich höre die Trauer darin und die Scham und die Wut.
    Und er steht auf.
    Und er legt das Gewehr an.
    In seinem Lärm sehe ich mich selbst, ich sehe auch den Bürgermeister darin, er steht hinter mir, das Gewehr noch immer im Anschlag, in seinen Augen blitzt der Triumph.
    Und ich weiß genau, was Todd jetzt tun wird.
    »Tu es«, sage ich.
    Ich habe Angst, aber es ist richtig, richtig, richtig …
    Und Todd zielt.
    »Tu es!«
    Der Bürgermeister versetzt mir einen harten Stoß. Ein wilder Schmerz schießt durch meine Beine, ich kann nicht anders, ich schreie auf und stürze nach vorn.
    Und der Bürgermeister versetzt mir noch einen Schlag.
    Er benutzt mich, um Todd seinen Willen
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