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Das dunkle Paradies

Das dunkle Paradies

Titel: Das dunkle Paradies
Autoren: Patrick Ness
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Farbranch ohne mit der Wimper zu zucken von hinten erschoss, als sie fliehen wollten.
    Mr Hammar führt die Armee an.
    Ich höre ihn Kommandos brüllen, damit alle im Gleichschritt marschieren. »Und rechts und links und rechts«, schreit er im Takt der Füße.
    Im Gleichschritt, marsch!,
    tritt den Feind in den Arsch.
    Sie marschieren auf den Platz und schwenken seitwärts ein, bahnen sich einen Weg zwischen den Männern und Frauen hindurch wie eine Naturgewalt. Mr Hammar ist so nahe, dass ich sein Grinsen sehen kann, ein Grinsen, das ich nur allzu gut kenne, ein Grinsen, das zuschlägt, prügelt, unterwirft.
    Und je näher er kommt, desto deutlicher wird es.
    Es ist ein Grinsen ohne jeden Lärm.
    Irgendjemand, einer der berittenen Männer vielleicht, muss der Armee das Medikament gebracht haben. Nicht das geringste Geräusch kommt von den Soldaten, nur Schritte und Gesang sind zu hören.
    Im Gleichschritt, marsch!,
    tritt den Feind in den Arsch.
    Sie marschieren nun um den Platz herum bis zum Podium. Mr Hammar macht schließlich halt und lässt die Männer hinter dem Podium Aufstellung nehmen, mit dem Rücken zu mir, sie blicken in die Menge, die sich ihnen zugewandt hat und sie beobachtet.
    Ich kenne die Soldaten, wie sie sich da einer nach dem anderen in Reih und Glied aufstellen. Mr Wallace. Mr Smith junior. Mr Phelps, der Ladenbesitzer. Männer aus Prentisstown und noch viele, viele andere.
    Die Armee ist gewachsen, während sie marschierte.
    Ich erkenne Ivan, den Mann, den ich in der Scheune in Farbranch getroffen habe und der mir im Vertrauen erzählt hat, dass es Männer gebe, die mit der Armee sympathisierten. Er steht jetzt an der Spitze einer Abteilung, und die Bewaffneten sind in Hab-acht-Stellung, ihre entsicherten Gewehre sind der Beweis, dass er mit seiner Vermutung Recht gehabt hat.
    Der letzte Soldat marschiert auf den Platz mit dem letzten Marschgesang auf den Lippen.
    Tritt den Feind in den Arsch!
    Und dann herrscht nur noch Stille, die wie ein Wind durch New Prentisstown fegt.
    Bis die Türen der Kathedrale geöffnet werden.
    Und Bürgermeister Prentiss ins Freie tritt, um seine neue Stadt zu begrüßen.
    Nachdem er Mr Hammar salutiert hat und die Stufen zum Podest hinaufgestiegen ist, spricht er ins Mikrofon.
    »Jetzt, in diesem Moment, habt ihr Angst.«
    Die Männer der Stadt blicken zu ihm hoch, schweigend, weder Lärm noch Summen ist zu hören.
    Die Frauen verharren dort, wo sie sind, auch sie schweigen.
    Die Armee steht in Hab-acht-Stellung, gefasst auf alles, was da kommen mag.
    Und ich, ich halte den Atem an.
    »Ihr glaubt, besiegt zu sein«, fährt er fort, »Ihr glaubt, eure Lage sei hoffnungslos. Ihr glaubt, ich sei gekommen, um euer Schicksal zu besiegeln.«
    Er wendet mir den Rücken zu, aber aus den Lautsprechern, die an jeder Ecke versteckt angebracht sind, tönt seine Stimme über den Platz, in der ganzen Stadt kann man sie hören, vielleicht sogar im ganzen Tal.
    Aber wer sonst sollte ihn noch hören? Wen gibt es noch in New World, der sich nicht hier eingefunden hat, es sei denn, er ist bereits unter der Erde?
    Bürgermeister Prentiss spricht zur ganzen Welt.
    »Und ihr habt Recht«, sagt er. Ich bin mir ganz sicher, dass ich ihn dabei grinsen höre. »Ihr seid besiegt. Ihr seid geschlagen. Und ich werde euch euer Schicksal verkünden.«
    Er lässt seine Worte einige Augenblicke lang wirken. Mein Lärm rumort wieder, und ich sehe, wie einige Männer zur Turmspitze hochschauen. Ich versuche meinen Lärm ruhig zu halten, aber was zum Teufel sind das eigentlich für Leute? Diese sauberen, behäbigen, satten Menschen, die sich einfach so ergeben haben?
    »Nicht ich bin es, der euch besiegt hat«, spricht der Bürgermeister weiter. »Nicht ich bin es, der euch in die Sklaverei geführt hat.«
    Er macht eine Pause und lässt seinen Blick über die Menge schweifen. Er ist ganz in Weiß gekleidet: weißer Hut, weiße Stiefel. Das Podium ist mit weißen Tüchern verhangen. All das Weiß und die Nachmittagssonne blenden seine Zuhörer.
    »Eure Trägheit hat euch zu Sklaven gemacht«, sagt der Bürgermeister. »Eure Selbstzufriedenheit hat euch besiegt. Ihr seid dem Untergang geweiht«, hier wird seine Stimme plötzlich schrill, er schreit das Wort »Untergang« so laut heraus, dass die Hälfte seiner Zuhörer zusammenzuckt, »weil ihr nur die besten Absichten habt!«
    Er redet sich weiter in Rage, schnaubt ins Mikrofon.
    »Ihr habt zugelassen, dass ihr verweichlicht. Ihr seid angesichts
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