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Das Darwin-Virus

Das Darwin-Virus

Titel: Das Darwin-Virus
Autoren: Greg Bear
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fotografierte den Eingang aus mehreren Blickwinkeln. Während sie hin und her ging, baute Franco die Mauer ab, und Mitch überblickte den Eingang.
    »Wie tief?«, fragte Mitch, als Tilde wieder bei ihnen war.
    »Zehn Meter«, erwiderte Franco. »Sehr kalt da drin, besser als jede Gefriertruhe.«
    »Aber nicht mehr lange«, sagte Tilde. »Ich glaube, das Gebiet war dieses Jahr zum ersten Mal so frei. Nächsten Sommer könnte es über Null gehen. Ein warmer Wind könnte hineinwehen.« Sie schnitt eine Grimasse und hielt sich die Nase zu.
    Mitch packte seinen Rucksack aus und wühlte nach den Taschenlampen, der Schachtel mit den Messern, den Gummihandschuhen, alles Dinge, die er in den Läden im Ort aufgetrieben hatte. Er ließ sie in einen kleinen Plastikbeutel fallen, verschloss die Tüte, steckte sie in die Anoraktasche und sah zwischen Franco und Tilde hin und her.
    »Alles klar?«, fragte er.
    »Los«, sagte Tilde, tat so, als schiebe sie ihn nach vorn und schenkte ihm ein großzügiges Lächeln.
    Er ließ sich auf alle Viere nieder und kroch als Erster in die Höhle. Ein paar Sekunden später kam Franco und unmittelbar nach ihm Tilde.
    Die Halteschlaufe der kleinen Taschenlampe zwischen den Zähnen, schob und quetschte Mitch sich immer nur ein paar Zentimeter voran. Auf dem Höhlenboden lag eine dünne Decke aus Eis und feinem Pulverschnee. Die Wände waren glatt und bildeten ganz oben einen spitzen Winkel. Hier würde er nicht einmal kriechend vorankommen. »Es wird gleich breiter«, rief Franco von hinten.
    »Gemütliches kleines Loch«, sagte Tilde; ihre Stimme klang hohl.
    Die Luft roch nach gar nichts, völlig leer. Kalt war es, weit unter Null. Der Fels entzog ihm die Wärme, sogar durch die gefütterte Jacke und Skihose. Er überquerte eine milchige Eisader auf dem dunklen Gestein und kratzte mit den Fingern daran. Hart. Mindestens bis hierher mussten Schnee und Eis sich aufgetürmt haben, als die Höhle noch verschlossen gewesen war. Kurz nach der Eisader stieg der Höhlenboden an, und er spürte einen leichten Luftzug aus einer weiteren Felsspalte, die erst seit kurzem vom Eis befreit war.
    Mitch hatte ein mulmiges Gefühl – nicht weil er an das dachte, was er gleich sehen würde, sondern wegen des durchaus ungewöhnlichen und sogar kriminellen Charakters seiner Untersuchung. Der kleinste falsche Schachzug – wenn nur ein Hauch davon durchsickerte, wenn bekannt wurde, dass er nicht auf legalem Weg vorgegangen war und dafür gesorgt hatte, dass alles seine Richtigkeit hatte …
    Mitch hatte schon früher Probleme mit offiziellen Stellen gehabt. Ein halbes Jahr zuvor war er seine Stelle am Hayer Museum in Seattle los geworden, aber das war eine politische Angelegenheit gewesen, lächerlich und unfair.
    Der Dame Wissenschaft selbst war er bisher nie zu nahe getreten.
    Im Hotel in Salzburg hatte er stundenlang mit Franco und Tilde debattiert, aber sie hatten jedes Zugeständnis abgelehnt. Hätte er sich nicht entschlossen, mit ihnen zu gehen, hätten sie einen anderen gefunden – Tilde hatte sogar einen arbeitslosen Medizinstudenten ins Gespräch gebracht, mit dem sie einmal etwas gehabt hatte. Tilde, so schien es, verfügte über ein großes Repertoire von Exfreunden, alle viel weniger qualifiziert und weniger mit Skrupeln behaftet als Mitch.
    Wie Tildes Motive und ethische Vorstellungen auch aussehen mochten: Er war nicht der Typ, der sie herumkriegen und beide unterbuttern konnte; jeder Mensch hat seine Beschränkungen, seine Grenzen in der Wildnis zwischenmenschlicher Beziehungen.
    Mitchs Grenze lag bei der Aussicht, frühere Freundinnen in Schwierigkeiten mit der österreichischen Polizei zu stürzen.
    Franco zupfte an einer Spitze von Mitchs Stiefelsohle. »Probleme?«, fragte er.
    »Kein Problem«, erwiderte Mitch und schob sich wieder fünfzehn Zentimeter vorwärts.
    Plötzlich hatte er ein Flimmern vor dem Auge, als sehe er undeutlich einen großen Mond. Gleichzeitig schien sich sein Körper aufzublähen. Er schluckte heftig. »Scheiße«, murmelte er und hoffte, es möge nicht das bedeuten, was er glaubte. Das Flimmern verschwand. Sein Körper normalisierte sich wieder.
    Die Höhle verengte sich hier zu einem engen Schlund, keine dreißig Zentimeter hoch und fünfzig bis fünfundfünfzig Zentimeter breit. Mit seitwärts gedrehtem Kopf bekam er eine Vertiefung knapp hinter der Engstelle zu fassen und robbte hindurch. Sein Anorak blieb hängen, und als er sich bemühte, ihn zu lösen und weiter zu
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