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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza
Autoren: Claudia Platz
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du?“, bedrängte Lukas den Burschen, der keinen sonderlich hellen Eindruck auf ihn machte.
    Dieser schaute verlegen zu Boden. „Viel ist es nicht“, meinte er lahm. „Aber in der Nacht ist tatsächlich etwas vorgefallen. Fast alle Gäste wurden ausgeraubt und der Dieb war am nächsten Morgen verschwunden. Deshalb fehlt wohl auch seine Börse. Nicht dass du denkst, mein Herr oder wir hätten sie gestohlen.“
    „Sie kann nichts Wichtiges enthalten haben, ein Mönch besitzt keine irdischen Güter. Das weiß eigentlich jeder. Warum sollte ihn also jemand bestehlen?“, wunderte sich Lukas. „Wisst ihr, wer der Dieb war?“
    „Mein Herr ahnt, wer er sein könnte, denn ein bestimmter Kerl war ihm von Anfang an nicht geheuer. Warum ist das so wichtig?“
    „Das geht nur den Abt und mich etwas an“, wies Lukas ihn barsch zurecht und machte kehrt.
    Rasch eilte er zur Zelle Manegolds, der inzwischen schlief. Doch darauf konnte Lukas jetzt keine Rücksicht nehmen. „Manegold, ich bedaure, dich wecken zu müssen. Aber es gibt etwas, das ich dir unbedingt zeigen muss.“
    Der Abt war sofort hellwach und folgte seinem Mitbruder.
    Als sie vor dem Leichnam standen, schlug Lukas das Laken zurück. „Während ich ihn wusch, fiel mir etwas Ungewöhnliches auf. Zwar ist er bereits zwei Tage tot und der Verwesungsprozess hat schon eingesetzt, was meine Beurteilung beeinflussen könnte, dennoch bin ich mir sicher, dass er nicht im Schlaf starb“, sagte er bestimmt. „Sieh hier, an Gesicht, Hals und Oberkörper sind verräterische Spuren. Erkennst du sie?“
    „Mir fällt nichts auf. Erklär mir, was du meinst.“
    „Rund um Nase und Mund und auf Höhe der Achseln sind Blutergüsse. Die am Rumpf stechen nicht sonderlich hervor und man könnte sie für Leichenflecke halten. Es kommt manchmal vor, dass sie an diesen Stellen auftreten. Doch ist das hier nicht der Fall. Mir scheint es eher so, als hätten sie die Form eines Handballens“, stellte er fest und deutete auf einen großen, halbrunden Fleck. „Und diese sehen aus wie die Abdrücke von Fingerkuppen. Findest du das nicht auch?“, fragte er und legte seine Hand auf die verfärbten Stellen. „Meine ist zwar etwas kleiner, aber sie passt fast genau.“
    Manegold beugte sich über den Toten und wiederholte Lukas´ Geste. „Du könntest tatsächlich recht haben. Also wurde Anselm niedergedrückt.“
    Lukas nickte. „Mir gaben vor allem die Hämatome im Gesicht zu denken. Auch sie erinnern mich an Finger“, redete Lukas weiter. „Daraufhin prüfte ich das Weiß seiner Augen und entdeckte kleine Einblutungen, die nicht größer sind als der Biss eines Flohs. Sie entstehen, wenn jemand erstickt wird.“
    „Du bist dir sicher?“
    „Ja“, behauptete er betrübt, während er den Leichnam wieder bedeckte.
    „Jemand hat also eine peccatum mortiferum auf sich geladen und Anselm ermordet!“, stellte Manegold erschüttert fest.
    „So sehe ich es.“
    „Bist du dir absolut sicher? Das ist immerhin eine schwere Anschuldigung“, gab Manegold zu bedenken.
    „Noch bevor ich zu dir kam, befragte ich den Knecht des Wirts“, äußerte Lukas und teilte ihm mit, was er erfahren hatte. „Hinzu kommt, dass Anselm während der letztenMonate schlecht schlief und oft aufwachte. Er kam deswegen zu mir und ich gab ihm Pastillen zur Beruhigung, die er abends vor dem Schlafengehen nahm. Für seine Reise hatte er einen Vorrat, der inzwischen aber aufgebraucht sein dürfte. Es wäre doch möglich, dass er in jener Nacht den Dieb bemerkte und dieser ihn dann mundtot machte.“
    „Das klingt plausibel“, pflichtete ihm Manegold bei. „Falls er tatsächlich einen gewaltsamen Tod fand, darf dieser nicht ungesühnt bleiben. Morgen nach seiner Beisetzung gehe ich zum Erzbischof und berede mit ihm, was geschehen soll.“
    Frankreich, Rouen
    Undurchdringliche Dunkelheit umfing Jonah bar Mose. Er zitterte vor Angst und Kälte. Selbst die dicke Decke, die er um sich gewickelt hatte, spendete keine Wärme. Längst war ihm das Gefühl für die Zeit abhanden gekommen und er wusste nicht, wie lange er sich schon an diesem kalten, düsteren Ort befand. Erst ein paar Stunden, einen Tag oder sogar zwei?
    Mit seinem Rücken lehnte er an einer feuchten Kellerwand. Seine Hände tasteten die Unebenheiten des nackten Bodens ab. Seine Augen wanderten umher, konnten aber nichts erkennen. Er wagte nicht aufzustehen, weil er fürchtete etwas umzustoßen, das seine Anwesenheit verraten könnte. Gedämpfte
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