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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza
Autoren: Claudia Platz
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aufgegangen, als sich die Mönche in der Kapelle versammelten, um der Totenmesse beizuwohnen, die Abt Manegold für den Verstorbenen las. Voller Zuneigung erinnerte er an den Mitbruder.
    „Anselms Tod bedeutet einen großen Verlust für unsere Gemeinschaft. Wir kennen ihn als einen gottesfürchtigen, fleißigen Mann, der sich strikt an unsere Ordensregeln hielt. Für ihn standen Gebet, Arbeit und die Fürsorge gegenüber seinen Mitmenschen stets an erster Stelle. Er war kein Gelehrter, aber von Gott mit dem Talent der feinen Zunge gesegnet. Bereits als Novize ließ er großes Geschick bei der Herstellung des Weins erkennen und erlangte darin eine wahre Kunstfertigkeit. Dank seiner genießt unser Wein weit über die Grenzen unseres Klosters und der Stadt hinaus einen guten Ruf. Jeder lobt seinen ausgewogenen Geschmack. Der Wein, der hier gemacht wird, beschert weder Magen- noch Kopfschmerzen, vorausgesetzt, man genießt ihn in Maßen.“
    Diese Äußerung sorgte für ein kurzes Lächeln, bevor die Mienen wieder ernst wurden, denn Anselm hatte immer Mäßigung gepredigt. Der Abt setzte seine Rede fort: „Nun gärt die Ernte des letzten Herbstes in den Fässern unseres Kellers und das erste Mal seit über dreißig Jahren wird es nicht Bruder Anselm sein, der den Zeitpunkt des Abstechens bestimmt. Ich muss euch nicht daran erinnern, dass er fast sein ganzes Leben hinter diesen Klostermauern verbracht hat und dabei einen Eifer und eine Demut an den Tag legte, die selbst unter Mönchen nicht immer selbstverständlich sind. Dies war auch der Grund, warum ich ihm die Pilgerreise nach Rom gestattete. Es war seinHerzenswunsch, einmal an den sieben heiligen Pilgerstätten gewesen zu sein. Wenigstens das wurde ihm noch erfüllt. Nun lasst uns voller Liebe und Hoffnung für seine Seele beten, bevor wir seine sterblichen Überreste zur endgültigen Ruhe betten.“
    Die Mönche begleiteten singend den Sarg zum Friedhof der Abtei, wo die Knechte bereits das Grab ausgehoben hatten. Der bleierne Himmel schien mit ihnen zu trauern, denn ein stürmischer Nordwind trieb dunkle Regenwolken über das Firmament und ließ die kahlen Bäume unter den Böen ächzen. Ein Schwarm Krähen folgte der Prozession und ließ sich in der Nähe nieder. Mit ihren düsteren Schreien übertönten sie den Gesang.
    Nach der Beisetzung kehrten die Mönche an ihr Tagewerk zurück, nur Manegold ging hinunter in die Stadt, um Erzbischof Ruthard und Stadtgraf Gerhard, die beiden mächtigsten Männer der Stadt, über dieses Verbrechen zu unterrichten. Er war jedem von ihnen in gewisser Weise verpflichtet, Ruthard war das kirchliche Oberhaupt des Erzbistums, Gerhard der Vogt der Benediktinerabtei.
    Während Manegold den Hügel hinuntereilte, blickte er auf den Dom, der das Zentrum der Stadt dominierte. Trutzig hob er sich von dem heller werdenden Himmel ab. Als steingewordenes Sinnbild erzbischöflicher Macht war er für die Ewigkeit gebaut. Überhaupt prägten die Kirchtürme der Gotteshäuser die Kulisse von Mainz. Hier befanden sich zahlreiche Klöster und Stifte, sodass Priester und Ordensleute genauso zum Stadtbild gehörten wie Adelige, Handwerker, Kaufleute, Tagelöhner und Bettler.
    Da Mainz den Mittelpunkt des mächtigsten Erzbistums des Reiches bildete, verfügte die Kirche über ausreichend Grundbesitz. Große Bezirke umgaben die kirchlichenGebäude, über die der Bischof herrschte. Hier galt allein sein Gesetz. Er bestimmte über die Geistlichen genauso wie über seine Herrendiener, die dem Stand der Ministerialen entstammten. Außerdem besaß er das Recht über Zoll, Markt und Münze und den Befehl über die Mauern.
    Diese Privilegien waren den Adeligen und Bürgern ein steter Dorn im Auge, denn der Erzbischof konnte ihre Rechte beschneiden. Für sie bedeutete dies, dass sie sich gut mit ihm stellen mussten, um nicht ihre Sonderrechte einzubüßen oder gar Steuern auferlegt zu bekommen. Solche Machtfülle verlangte von einem Bischof Weitsicht, Klugheit, Toleranz und Demut und nicht jeder Mann vereinte diese Eigenschaften in sich. Schon mancher Erzbischof war dieser Aufgabe nicht gewachsen gewesen. Ob Ruthard sie erfüllte, würde erst die Zeit zeigen.
    Gegen seinen Herrschaftsbereich nahm sich der des Stadtgrafen recht bescheiden aus. Zwar verfügte auch er über Soldaten, konnte Personen unter seinen Schutz stellen, Gesetze erlassen, übte die weltliche Blutgerichtsbarkeit aus und stand der städtischen Verwaltung vor, aber sein Einfluss reichte
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