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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons
Autoren: Lynn Raven
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ich allein zur Schule gehen würde. Natürlich war es ein Risiko, aber ich zog es jeder anderen Alternative vor.
    Ich brauche deine Hilfe! Hastig las ich die Aufgabe noch einmal für ihn. Ich hörte ihn in meinem Verstand lachen und biss die Zähne zusammen. Ja, ich hatte getönt, ich würde diese Matheklausur ohne seine Hilfe schaffen. Immerhin hatte ich über Weihnachten gebüffelt wie eine Blöde. – Aber man durfte doch wohl auch mal seine Meinung ändern, oder?
    Julien! , flehte ich.
    Ein hochtheatralischer Seufzer. Das konnte er mindestens so gut wie Olek.
    Noch mal die Gleichung , verlangte er.
    Ich nannte sie ihm.
    »Eine Minute, meine Herrschaften, dann legen Sie die Stifte hin.« Mrs Jekens schob ihren Stuhl zurück und stand auf.
    Beeil dich!
    Knurren. Ich fauchte zurück. Um ein Haar hätte ich die erste Zahl nicht mitbekommen. Er diktierte mir die Lösung so schnell, dass ich kaum mitschreiben konnte.
    »Die Stifte hinlegen!«
    Ich kritzelte das letzte … ÷ y 3 ; x = –7; y = 4; z = –0,5 hin.
    »Das gilt auch für Sie, Ms Warden!«
    Danke!
    Gehorsam legte ich den Stift parallel zu den Blättern, verschränkte die Hände auf der Tischkante und bemühte mich um eine Unschuldsmiene.
    Die Antwort war nur eine federleichte Berührung in meinem Geist. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu schaudern. Vor allem weil Mrs Jekens gerade genau auf mich zuhielt. Dann war er abermals nur das vage Gefühl einer Präsenz irgendwo in meinem Hinterkopf.
    Wie es zu dieser Verbindung zwischen uns gekommen war, konnten weder wir beide noch Adrien – den wir als Einzigen darüber ins Vertrauen gezogen hatten – erklären. Auch in keiner der alten Lamia-Legenden, die wir in den letzten Wochen zu gefühlten Hunderttausenden gelesen hatten, hatten wir über eine solche Verbindung auch nur ansatzweise irgendeine Erwähnung gefunden. Sie war einfach da gewesen. Eine Anwesenheit , das unbestimmte Wissen um Eindrücke und Empfindungen. Sofern es der jeweils andere zuließ. Sie war und blieb ein Rätsel – wie so vieles mehr.
    Mrs Jekens nahm meine Klausur vom Tisch und blätterte sie durch. Ihre perfekt gezupften Brauen rutschten mit jeder Seite ein wenig mehr aufeinander zu.
    »Wenn ich es nicht besser wüsste, Ms Warden, würde ich sagen, Ihr Freund hat mit Ihnen gelernt. Allerdings ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass er Ihnen den Stoff erklären könnte, ohne ihn selbst im Unterricht durchgenommen zu haben.«
    Offiziell war Julien seit November aus gesundheitlichen Gründen von der Schule beurlaubt. Genau genommen hatte er keine andere Wahl gehabt. Inoffiziell hieß es, er habe die Schule endgültig geschmissen. Mrs Jekens gehörte zu den Lehrern, die diesem Gerücht mehr Glauben schenkten als der offiziellen Version, da sie von jeher der Ansicht gewesen war: Jemand wie Julien DuCraine hatte ohnehin keine Chance, den Abschluss an der Montgomery zu schaffen.
    Ich bemühte mich weiter darum, möglichst unschuldig zu wirken, und blinzelte sie mit großen Augen an.
    Sie ließ ein Schnauben hören. »Wir werden sehen, was bei Ihrem Versuch hier herauskommt.« Damit schob sie die Seiten zusammen und machte sich daran, auch die Arbeiten der anderen einzusammeln.
    Quer über die Tische hinweg begegnete ich Beths Blick. Sie legte fragend den Kopf schief. Ich nickte und wurde mit einem erhobenen Daumen und einem Grinsen belohnt. Nachdem wir aus Griechenland zurückgekehrt waren, hatten Beth und ich ein sehr langes Gespräch miteinander geführt, bei dem ich ihr zu erklären versucht hatte, warum ich mich in der Zeit davor so seltsam benommen hatte – die Geschichte, die ich ihr erzählt hatte, war eine Mischung aus der Wahrheit und Romeo und Julia gewesen: Fehden, antiquierte Ansichten, unsere Familien, die nicht wollten, dass Julien und ich zusammenkamen … Ich hatte mich bemüht, so wenig wie möglich zu lügen, und war damit erstaunlich gut durchgekommen. Selbst die Sache mit Juliens plötzlich aufgetretener Krankheit hatte sie mir geglaubt. Am Ende unseres Gesprächs hatten wir uns wieder vertragen.
    In der nächsten Stunde, Erdkunde, bewahrte nur Beths Ellbogen mich zweimal davor, dass ich mit dem Kopf auf der Tischplatte einnickte. Vermutlich hatte es Mr Sander nur gut mit denen gemeint, die gerade eine Matheklausurgeschrieben hatten – immerhin mehr als die Hälfte seines Kurses –, doch der Film über die Brandrodung der Regenwälder und ihre Folgen erwies sich für mich als Prüfung. Was vielleicht daran
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