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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons
Autoren: Lynn Raven
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lag, dass zwar meine Tageslethargie inzwischen gänzlich der Vergangenheit angehörte, ich aber mit einem weitestgehend nachtaktiven Freund geschlagen war, und im Gegensatz zu ihm tagsüber die Schule mit Klausuren und all den anderen Dingen am Hals hatte, die meine Aufmerksamkeit verlangten.
    Englische Literatur brachte ich mehr schlecht als recht hinter mich. Manchmal – so wie an diesem Tag – fiel es mir schwer, Cynthias Sticheleien zu ertragen, ohne sie für eine Minute in einem der Mädchenklos beiseitezunehmen und ihr einmal einen kleinen Blick auf meine Eckzähne zu gönnen; in verlängertem Zustand. Glücklicherweise hatte sie nicht allzu viel Zeit zum Sticheln, da Mr Barrings es für eine ausgezeichnete Idee hielt, an einem Freitag in der letzten Stunde einen Test über unsere aktuelle Lektüre, Steinbecks »Von Menschen und Mäusen«, zu schreiben. Als das Klingeln das Ende auch dieser Stunde verkündete, war es eine Erlösung.
    Auf der Treppe vor dem Haupteingang erwarteten mich Susan und Mike. Nachdem die Corvette sich heute Morgen geweigert hatte anzuspringen – woran vermutlich der neuerliche Kälteeinbruch über Nacht schuld war –, hatten sie und ihr Bruder mich mit zur Schule genommen und würden mich auch wieder zu Hause abliefern. Ich kniff die Augen gegen die Sonne zusammen – offenbar waren sie dank meiner menschlichen Hälfte nicht ganz so empfindlich wie die einer normalen Lamia. Damit blieb mir die dunkle Brille und das daraus resultierende Getratsche erspart.
    Während ich neben ihnen her durch den Schneematsch in Richtung Schülerparkplatz stapfte und dabei mit halbemOhr zuhörte, wie Mike von seinen Plänen für’s Wochenende erzählte, schlug ich den Kragen meiner Jacke hoch und schob die Hände tief in die Taschen.
    »Sag mal, Dawn … ist das da drüben nicht Julien?«, meinte Susan unvermittelt.
    Ich blieb so abrupt stehen, dass zwei Mädchen beinah in mich hineingelaufen wären, und starrte in die Richtung, in die sie gerade wies. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Tatsächlich! Unverkennbar: Julien. Er lehnte an einer der hochstämmigen Tannen, die an der linken Seite des Schülerparkplatzes ein kleines Dreieck bildeten. Die Hände hatte er in den Taschen seiner Lederjacke vergraben und die Kapuze des Sweatshirts, das er darunter trug, tief ins Gesicht gezogen. Wie immer steckten seine verboten langen Beine in schwarzen Jeans. Dass er knöcheltief im Schnee versank, interessierte ihn entweder nicht oder er merkte es nicht.
    Auf dem Parkplatz direkt daneben stand die Vette, tiefschwarz glänzend vor dem winterlichen Weiß. Offenbar hatte er sie wieder zum Laufen gebracht.
    War er verrückt geworden? Wir hatten helllichten Tag und obendrein strahlenden Sonnenschein, der darüber hinaus noch von dem Schnee auf den Rasenflächen reflektiert wurde. Wahrscheinlich sollte ich dankbar dafür sein, dass er zumindest noch so viel Verstand hatte, dass er sich im Schatten der Bäume hielt. Mein Vorhaben, ihn mental anzubrüllen, vereitelte er, indem er mich nicht in seinen Geist ließ. Alles, was ich spürte, war Ungeduld. Und selbst das war vermutlich keine Absicht.
    »Scheint so, als bräuchtest du mich nicht mehr als Chauffeur, was?« Susan winkte zu Julien hinüber. Mike tat es ihr nach. Bei den Bäumen zog Julien eine Hand aus der Tasche und erwiderte die Geste. Ob außer mir jemandem auffiel, dass sein Atem keine weißen Wolken bildete?
    »Nein, anscheinend nicht«, murmelte ich abwesend, schickte noch ein »Bis Montag und schönes Wochenende« hinterher und stapfte auf Julien zu.
    Dem Himmel sei Dank, blieb er, wo er war, und sah mir einfach nur entgegen. Als ich ihn schließlich erreichte, ließ Julien mich gar nicht erst zu Wort kommen. Er nahm mein Gesicht zwischen seine Hände, grub die Finger in mein Haar, zog mich zu sich heran und küsste mich. Gründlich und kompromisslos und zugleich unendlich behutsam und sanft. Ich schnappte nach Luft, als er mich wieder losließ.
    »Bist du …« Es war schwer, wütend zu sein, wenn man gerade vollkommen atemlos geküsst worden war. Weiter kam ich nicht.
    »Adrien hat heute Morgen angerufen«, teilte er mir mit. Verwirrung mischte sich in meinen Ärger. Allerdings bei Weitem nicht genug, um ihn nachhaltig zu dämpfen. – Und was bitte sollte mir das sagen, dass Adrien angerufen hatte? Er wollte im Frühling seine Vette zurück. Machte er am Ende jetzt schon Pläne über das Wann und Wie?
    Julien gab mir nicht die Chance zu fragen. Als
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