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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons
Autoren: Lynn Raven
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wäre es das Normalste von der Welt, trat er an mir vorbei und unter den schneeschweren Ästen der Bäume heraus ins Sonnenlicht. Ich war nicht schnell genug, um ihn aufzuhalten, erwischte ihn nur noch am Jackenärmel. Sekundenlang standen wir reglos. Er im Licht, ich im Schatten. Ich immer noch seinen Ärmel verzweifelt umklammernd, wie gelähmt vor Angst. Auch als er mit der freien Hand die Kapuze zurückstreifte, brachte ich keinen Ton heraus. Die Sonne blitzte auf den verspiegelten Gläsern seiner dunklen Brille. Ich rechnete damit, dass jeden Moment Flammen über seine Haut lecken, dass um uns herum das Chaos ausbrechen würde, ob der spontanen Selbstentzündung meines Freundes …
    »Er hat deinen Verdacht bestätigt«, erklärte er sanft.
    Meinen … Verdacht? – Ich starrte ihn an. Er löste meine verkrampften Finger behutsam von seinem Ärmel, verschränkte seine mit ihnen, zog mich langsam ins Licht und in seine Arme. Irgendwie fiel mir das Schlucken plötzlich schwer. Adrien war vor knapp einer Woche zu Besuch gewesen und hatte, als er nach Marseille zurückgeflogen war, wo er an Juliens Stelle das Amt des Fürsten bekleidete, jeweils eine Blutprobe von Julien und mir im Gepäck gehabt. Sie hatten sich in den Kopf gesetzt, herauszufinden, wie es möglich gewesen war, dass Julien seine Hinrichtung in der Sonne hatte überleben können; wie es sein konnte, dass er hier vor mir stand, ebenso atemberaubend schön wie vor jenem Sonnenaufgang in Griechenland. – Etwas, das mich noch immer, jedes Mal wenn ich ihn ansah, in Staunen versetzte.
    Ich hatte meinen Augen nicht getraut, als das verbrannte Fleisch nach ein paar Tagen begonnen hatte sich wie nach einem einfachen Sonnenbrand abzulösen und darunter makellos glatte, blasse Haut zum Vorschein gekommen war. – Nur eine rote, verschrumpelte Narbe an der Innenseite von Juliens rechtem Handgelenk war zurückgeblieben, genau an der Stelle, von der er mich im Grabgewölbe des Klosters hatte trinken lassen. Brauen und Wimpern waren ebenso dicht und lang wie zuvor nachgewachsen und auch sein Haar reichte ihm schon wieder schwarz und seidig bis fast über die Ohren. Nur seine Fänge waren auch im entspannten Zustand unübersehbar zu lang für ein normales menschliches Gebiss geblieben und seine Augen waren nicht mehr zu ihrem hellen Quecksilberton zurückgekehrt – sie waren nach wie vor von jenem beinah lichtschluckenden Schwarz, doch zumindest war das Rot aus ihnen verschwunden und zeigte sich nur, wenn Julien wütend war. Oder hungrig.
    Ohne seinen Blick aus meinem zu nehmen, strich er mitden Fingerspitzen sacht über meine Stirn, die Schläfe, über die Wange entlang abwärts bis zu meinem Kinn. Mein Ärger war wie weggewischt, jetzt pochte mein Herz in meiner Kehle. Für einen Sekundenbruchteil legte Julien die Hand genau auf diese Stelle, als würde er durch die federleichte Berührung auf das wilde Klopfen lauschen.
    »Wir wissen beide, dass ich … anders bin als ein normaler Vampir, Dawn. Sonst könnte ich bei Tag nicht ebenso wach sein wie in der Nacht oder mich in Räumen aufhalten, aus denen das Sonnenlicht nur durch Fensterläden und Vorhänge ferngehalten wird, ohne Schaden zu nehmen – noch nicht.« Zart hakte er mir eine dunkelblonde Strähne hinters Ohr.
    Noch immer irgendwie zittrig versuchte ich zu lächeln. »Und du solltest ganz sicher nicht hier in der Sonne stehen können.« Ich spreizte die Finger auf seiner Brust, spürte unter dem Sweatshirt den schmalen, länglichen Umriss des goldenen Röhrchens mit dem, was vom Blut der Ersten übrig war.
    Er neigte den Kopf, den Mund kaum merklich verzogen, und bedeckte meine Hand mit seiner. »Nein, das sollte ich nicht. – Und wir wissen beide, was mir am Anfang dabei geholfen hat, es zu können. Jeden Tag ein bisschen mehr.«
    Ja, ich wusste es ebenso wie er – auch wenn das Ganze zuerst einfach nur aus der Not heraus geboren war, dass Julien in seinem Zustand selbst bei Nacht nicht hatte auf die Jagd gehen können. Letztlich waren wir jedoch nur durch einen Zufall dahintergekommen – der für Julien dieses Mal leicht hätte tödlich enden können.
    Julien hatte es nach einigem Hin und Her geschafft, mich dazu zu überreden, ein wenig – und nur sehr, sehr vorsichtig – zu experimentieren. Genau genommen hatte ich nur zugestimmt, weil ich die Sehnsucht in seinen Augen gesehenhatte, als er davon sprach, die Tage nicht mehr in kompletter Dunkelheit eingesperrt im Keller verbringen zu
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