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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
Autoren: Nagel & Kimche AG
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Eigentlich eine Liebesgeschichte
    Sarah fasst sich ans Becken, rechte Seite, und stöhnt auf, es ist 17 Uhr, längst finster im Dorf am 8. Dezember 2007, ein Samstag, die Welt riecht nach Schnee.
    Was hast du?, fragt die Mutter.
    Hier tut es weh.
    Du hast dich gestoßen?
    Hab ich nicht, sagt Sarah und schweigt.
    Sarah ist vierzehn, schmal und hoch, sie ist stolz auf ihr langes, üppiges Haar, am liebsten spielt Sarah Klavier, tanzt, seit sie gehen kann.
    Ein Muskel, wohl angerissen, vielleicht vom Turnen in der Schule, bei jungen wilden Damen keine Seltenheit, lacht der Kinderarzt und empfiehlt drei Tage Ruhe, Schmerztabletten und Krücken bei Bedarf, Mittwoch.
    Sarah legt sich vor den Fernseher, Gute Zeiten, schlechte Zeiten, Rigiweg 4, Erdgeschoss links, die Mutter holt Pizza, es schneit.
    Wenn sie groß ist, wird Sarah nach Amerika auswandern. Dort war sie im letzten Sommer bereits, sechs Wochen lang mit den Eltern und der Schwester, New York, Boston, Las Vegas, Bryce Canyon, Monument Valley, Grand Canyon, Death Valley, San Francisco, Monterey, Los Angeles, Universal Studios, Disneyland, Sarah schlief neben dem Vater, Nacht für Nacht, die Schwester neben der Mutter, einmal sollte Sarah neben die Schwester, die zwei Jahre jünger ist, goht’s no?, neben der schlafe ich nicht! – Sarah schlief am Boden.
    Eine Knochenentzündung vielleicht, sagt der Arzt am 17. Dezember 2007, Montag, und ruft das Kinderspital Luzern an.
    Zwei Stunden später, die Mutter an der Seite, sitzt Sarah im Krankenhaus und wartet, bis man ihr eine Nadel in die Vene steckt und Blut abnimmt, sie wartet, bis jemand ihr Becken abtastet, ihre Hüfte, geh in die Hocke!, streck jetzt das Knie!, spreiz die Beine!, man möchte, um sicher zu gehen, eine MRT machen, Magnetresonanztomographie.
    Das tut nicht weh, sagt die Mutter.
    Und wenn doch?
    Dann geht’s vorbei, sagt Mami.
    Platzangst in der Röhre.
    Sie leide, soweit man sehe, nicht an einem bakteriellen Infekt, sondern an einem rheumatischen. Um anderes auszuschließen, werde man morgen oder übermorgen dem Knochenmark eine Probe entnehmen, keine Angst, Sarah.
    Ob einem davon schlecht werde, fragt sie. Wenn ich etwas hasse, dann das Kotzen.
    Die Mutter fährt zurück ins Dorf, holt Kleider und Sarahs Handy, 079 273 61 64.
    Hey. Bin ab sofort im Schpital. OMG. 2 Woche lang. Chnocheentzöndig. U Sarah
    OMG, o mein Gott.
    U, Umarmung.
    Sarah ist schlecht, als sie am Dienstag in 1 West erwacht.
    Warum weinst du, Mami?
    Am Mittwoch, 19. Dezember 2007, sitzen Vater und Mutter in einem engen düsteren Raum des Kinderspitals Luzern, 1 West 117, zwei Tische darin, zwei Bildschirme, Ordner, Neon leuchtet, zwei Ärzte sind da, eine Pflegerin, und einer beginnt zu reden, er sagt: Im Knochenmark Ihrer Tochter sind Zellen, die dort nicht hineingehören.
    Im Knochenmark Ihrer Tochter sind Zellen, die dort nicht hineingehören.
    Zellen, die dort nicht hineingehören.
    Leukämie, ein Lymphoblastisches Lymphom vom Precursor-B-Typ, Stadium drei, noch sehr jung, Gottlob.
    Was genau ist Leukämie?, fragt der Vater.
    Und die Mutter, sie weiß nicht weshalb, ahnt, Sarah wird sterben. Sie dreht sich zu ihrem Mann und sieht ihn weinen, sie legt ihre Hand auf seine, er zieht sie weg.
    Endlich treten sie an Sarahs Bett, Station 1 West, zwei Ärzte, Vater, Mutter.
    Sarah, was dir weh tut, hat einen Namen, Leukämie.
    Blutkrebs, sagt der Arzt.
    Und Sarah, langes rötliches Haar, lacht heiser auf.
    Aber die Wahrscheinlichkeit, dass du wieder gesund wirst, ist groß.
    Neunzig Prozent.
    Ist doch gut, sagt Sarah und blickt zum Vater.
    Hört auf zu heulen, sagt sie, ich habe noch vieles vor, wer heult, soll raus.
    Die Mutter ruft ihre Eltern an, der Vater Sarahs Lehrer, man verliere keine Zeit, sagt der Arzt, schon übermorgen beginnt die erste Therapie, keine eigentliche Chemotherapie, eher Vorbereitung, Cortison.
    Scheiße. Leukämie. Bluetchräbs. OMG U.
    Donnerstag, Sarah liegt im Operationssaal, zwei Ärzte beugen sich über sie, setzen unterhalb des rechten Schlüsselbeins einen Port-a-Cath, einen Langzeitkatheter, der in Sarahs Vene führt.
    2 West 224, das Eckzimmer.
    Mami, ich will nicht, dass die Leute an meinem Bett heulen.
    Und die Mutter weiß, Sarah wird sterben, erzählt es keinem.
    Wenn Sarah wieder gesund ist, will sie zuerst zwei Katzen und dann nach Amerika.
    21.12.07, Zytoreduktive Vorphase
    40 mg Prednison
    Dann 30 mg
    20 mg
    12 mg Methotrexat i.th.
    Eine Katze wird Luna heißen, die andere Mickey.
    Kurz
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