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Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten

Titel: Von dieser Liebe darf keiner wissen - wahre Geschichten
Autoren: Nagel & Kimche AG
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hinter mir, die andere nie erleben werden.
    Sarahs Haar wird lang und länger, rötlicher als zuvor.
    Purinethol täglich auf nüchternen Magen, Antibiotika von Mittwoch bis Freitag.
    Es wird Sommer 2009, Familie M. fährt nach Follonica ans Meer, Sarahs Freund ist dabei, einmal tut das Auge weh, dann das Becken, die Beine, Sarah schwimmt nur wenig, streitet mit der Schwester, du Kuh. Im September macht sie Schluss mit dem Freund, zu viel Krebs auf einem Haufen, sagt Sarah.
    Sie richtet ihr Zimmer neu ein, alles weiß, einer hilft ihr dabei, ein Kollege aus dem Dorf, zwei Jahre älter als Sarah, M.
    Nachts erwacht sie vor Schmerzen.
    Mit M. kann man reden wie mit niemandem sonst, der versteht einen besser als der Rest des Universums, riesenmegaabartigüberdimensionalgut.
    Die Mutter verlangt eine Untersuchung im Kinderspital.
    Falls keine körperliche Ursache zu entdecken sei, meint der Arzt, sei eine psychische zu vermuten.
    Sarah ist sechzehn, ihr Austauschjahr bewilligt, 406 Eastwood Drive, Warner Robins, Georgia, United States of America.
    Wieder sitzen die Eltern in einem kleinen Raum, zwei Ärzte vor sich, einer beginnt zu reden, Hüftnekrose, gewisse Teile des Oberschenkelknochenkopfes seien abgestorben, wohl verursacht vom Cortison, beidseitig und atypisch schnell, eine Operation ist angebracht, beidseitig, frühestens nach Abschluss der Erhaltungstherapie.
    Immerhin spinne ich nicht.
    Sie humpelt an Krücken, setzt sich ans Klavier, übt mit der Freundin das Lied Run von Leona Lewis, I’ll sing it one last time for you, then we really have to go, immer wieder, und spielt es am Weihnachtskonzert der Schule fehlerfrei. Der Arzt ruft an, es ist Samstag, und redet mit der Mutter, die Mutter nickt und nickt.
    Die Operation werde acht Stunden dauern.
    Sarah wankt in ihr Zimmer und setzt sich aufs Bett und schweigt, schaut Fotos an, zusammengefasst zu einem bunten hellen Buch, Sarah M., Amerika 2007, 7. 7. – 18. 8., Bryce Canyon, Capitol Reef, Grand Canyon, Death Valley, Golden Gate, Disneyland.
    Man wird, einfach erklärt, deine Oberschenkelhalsknochen durchtrennen, um fünfzig Grad drehen und wieder zusammensetzen, so, dass dein Gewicht auf den gesunden Teilen zu liegen kommt – und du wieder schmerzfrei gehen kannst.
    20. Dezember 2009, Abschluss der Erhaltungstherapie.
    Diesen großartigen Tag werden wir heute Abend feiern, schreiben die Eltern ihren Freunden.
    Zwei Stunden nach der letzten Tablette hat Sarah, die nie Fieber hatte, Fieber.
    Sie notiert: Hope dies last.
    Sarah erwacht auf der Intensivpflegestation, Kinderspital Luzern, Spitalstrasse, vier Menschen stehen an ihrem Bett, Ärzte, Pflegerinnen, und bereden ein Schmerzmittel, Sarah, frisch operiert, wimmert, es ist der Nachmittag des 15. Januar 2010, Schläuche an Armen und Hüften, sie schläft ein, erwacht, dämmert weg, dann steht die Mutter neben ihr, auch der Freund, der staunt und schweigt, Sarah blutet aus einer Wunde, Pfleger heben sich hoch und wechseln die Tücher, Sarah schreit, dämmert weg.
    Verlegung auf 1 West.
    Die Großeltern schicken einen Musikballon, gefüllt mit Helium. Stößt Sarah ihn an, singt er Don’t worry, be happy.
    Bluttransfusion.
    Kopfschmerzen.
    Physiotherapie.
    Sarah fotografiert ihre Narben, links, rechts, vierundzwanzig Zentimeter lang.
    Eine Hüfte wie ein Elefant, schreibt sie.
    Einmal sitzen beide Eltern an ihrem Bett, und Sarah sagt zur Mutter: Sag dem Typ neben dir, er soll jetzt verduften.
    Eines Nachts, die Mutter im Nebenbett, flüstert sie: Weshalb ist man so, wie man ist?
    Der Vater kommt nicht mehr ins Zimmer, gibt, was er abgeben muss, einer Pflegerin ab, Kleider, Bücher, Nagellack.
    Das hat nichts mit dir zu tun, sagt seine Frau. Das ist die Krankheit.
    Wenn das tröstet!, sagt er.
    Im Internet, www.ricardo.ch, kauft der Vater ein schweres Krankenbett, elektrisch verstellbar, mit Freunden trägt er es ins Wohnzimmer, Erdgeschoss links, acht Wochen lang liegt Sarah auf dem Rücken und sieht hinaus in den Garten, Rigiweg 4, es ist Winter, auf der Küchenablage, Schachtel neben Schachtel, sind Medikamente, ein Duschstuhl steht im Raum, ein Rollstuhl, Desperate Housewives, Grey’s Anatomy, Scheiße, schreit Sarah ihre Schwester an, mach nicht so laut, halt du doch endlich mal deine Fresse.
    Bin ich Mensch oder Maschine?
    Abends sitzt der Freund neben Sarah und hält ihre Hand.
    Mami, bring mir mein Heft!
    Mami, wann gibt es zu essen?
    Mami, komm!
    Kommt der Vater von der Arbeit, bleibt er vor der
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