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Das Blut der Rhu'u

Das Blut der Rhu'u

Titel: Das Blut der Rhu'u
Autoren: Mara Laue
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Bettchen schlief, stundenlang beobachtet und still geweint. Später hatte Cal dieses Verhalten dahingehend interpretiert, dass sie zu dem Zeitpunkt wohl schon ihren bevorstehenden Tod ahnte.
    Doch offensichtlich gab es dafür eine ganz andere Erklärung. Mirjana hatte Zwillinge geboren, Cal aber nur ein Kind gegeben. Und auch in der Geburtsurkunde war nur Cayelu – Kyle – eingetragen worden. Wie hatte sie ihm seine Tochter verheimlichen können? Und wo hatte sie all die Jahre gelebt? Wo war sie jetzt?
    Cal stand auf. »Gehen wir der Sache auf den Grund. Cayelu, ich möchte mit dir eine Retrospektion durchführen. Eine Rückschau zum Tag deiner Geburt.«
    Cayelu stand sofort auf. »Unbedingt. Ich muss wissen, warum Mutter mich von meiner Schwester getrennt und dir nie ein Wort über sie gesagt hat.«
    »Ich komme mit.«
    »Nein, Cassie. Das machen Cayelu und ich allein. Du versuchst inzwischen herauszufinden, wo eure Schwester wohnt. Wir müssen sie schnellstens zu uns holen, denn ich fürchte ...« Er winkte ab. »Zuerst die Retrospektion.«
    Er ging mit Cayelu in einen Raum im Keller, der hinter einer Wand verborgen war und nur durch eine Geheimtür betreten werden konnte. Dieser geheime Raum war nicht für die Blicke Außenstehender geeignet, denn er verriet die MacLeods auf den ersten Blick als Anhänger eines magischen Kultes.
    In der Mitte des Raums stand ein steinerner Altar, umgeben von einem mit roter Farbe auf den Boden gemalten Pentagramm, in dessen Spitzen jeweils eine rote Kerze stand. An einer Wand befand sich ein Regal mit magischen Gerätschaften. An den Wänden war der Fußboden etwa drei Fuß breit mit weichen Teppichen belegt, auf denen einige Decken, Isomatten, Meditations- und Sitzkissen lagen.
    Cal holte eine Kristallkugel aus dem Regal, während Cayelu sich bequem auf einem der Kissen niederließ. Er nahm die Kugel entgegen und versetzte sich in Trance. Cal zündete ein stimulierendes Räucherwerk an und setzte sich danach seinem Sohn gegenüber. Als erfahrenem Magier gelang es Cayelu sofort, den erforderlichen Zustand zu erreichen und sich auf die geistige Reise durch die Zeit vorzubereiten. Er starrte in die Kugel.
    »Cayelu«, sagte Cal und ließ seine Stimme so tief wie möglich klingen, da diese Tonlage die Trance verstärkte. »Kehre zurück zum Tag deiner Geburt. Sommersonnenwende 1984. Direkt zu dem Moment, nachdem dem du geboren wurdest. Was siehst du dort?«
    Cayelus Blick nahm einen abwesenden Ausdruck an. Cal sah, dass in der Kristallkugel die Nebel der Zeit zu wirbeln begannen und sich schließlich klärten. Alles Weitere war nur noch für seinen Sohn sichtbar.
    Der begann, wie ein Baby zu wimmern. Gleich darauf sprach er mit der weichen Stimme einer Frau.
    »Sie haben ein wunderschönes Baby, Mrs MacLeod. Einen Sohn. Und es ist alles an ihm dran, was er haben muss. Herzlichen Glückwunsch! Haben Sie schon einen Namen für ihn?«
    »Kyle« , antwortete Cayelu mit einer anderen Frauenstimme, die Cal nur zu gut kannte. Sie rief ein schmerzhaftes Echo in ihm wach. Cayelu schrie mit der Stimme seiner Mutter schmerzhaft auf.
    »Oh, Nummer zwei hat es aber eilig, auf die Welt zu kommen« , sagte die erste Frau. »Keine Sorge, dieses Mal geht es leichter. Sie haben es bald überstanden, Mrs MacLeod.«  
    Cal konnte nicht verhindern, dass ihm das Herz bis zum Hals schlug. »Geh vorwärts in der Zeit«, wies er seinen Sohn atemlos an, »bis zur«, er schluckte, »zweiten Geburt.«
    Cayelu wimmerte erneut wie ein neugeborenes Baby. Dann: »Ein Mädchen diesmal! Sie haben gesunde Zwillinge bekommen. Und wie soll Ihre kleine Prinzessin heißen?«  
    »Kara« , antwortete Mirjana. »Oh, geben Sie sie mir, Doktor! Beide! Ich will sie wenigstens einmal beide im Arm halten.«  
    »Aber Mrs MacLeod«, tadelte die Ärztin sanft. »Sie werden Ihre beiden Schätzchen noch oft im Arm halten.«  
    »Nein.« Mirjana begann zu weinen. »Doktor, Sie müssen etwas für mich tun. Die Frau, die vorhin eine Totgeburt hatte. Sie heißt auch MacLeod, nicht wahr?«  
    »Ja.«
    Das war in der Gegend von Lochinver, wo Cal damals gewohnt hatte, ein verbreiteter Name. Wegen dieses Namens, der in Lochinver nicht auffiel, war er dorthin gezogen, und hatte ihn bis heute beibehalten. Immerhin war der Name jahrhundertealte Familientradition. Auch die Ärztin, in deren Praxis Mirjana entbunden hatte, hieß MacLeod, wie er sich erinnerte.
    »Geben Sie ihr meine Kara. Bitte.«
    »Das kann ich nicht tun«,
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