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Das Blut der Medusa

Das Blut der Medusa

Titel: Das Blut der Medusa
Autoren: Jason Dark
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entscheiden, falls mir tatsächlich der große Treffer gelang, was schwierig genug war.
    Dabei durfte ich mich nicht umdrehen. Ich mußte ihn praktisch rückwärts werfen, weit ausholen und ihn dabei noch raffiniert anschneiden. Das war schon etwas für Artisten.
    Aber eine andere Chance gab es nicht.
    Am oberen Ende der Felsentreppe entstand Bewegung. Zwei Füße konnte ich bereits erkennen. Die Knöchel wurden vom Saum des langen Gewandes umschmeichelt. Jetzt wurde es Zeit!
    »Ja, kommt, kommt schnell!« Auch Flora hatte ihre Schwestern bemerkt und heizte ihnen noch mehr ein.
    Ich holte aus.
    Nicht sehr langsam, sondern schnell. Der Arm schwang wieder herum, gleichzeitig federte ich aus meiner knienden Haltung hoch, und der Bumerang jagte ungefähr in Halshöhe auf die Erbin der Medusa zu. Ich hielt dabei die Augen geschlossen, wollte nicht in Versuchung geraten, sie trotzdem ansehen zu müssen. Vielleicht hörte ich den Schlag, möglicherweise bildete ich ihn mir auch nur ein.
    Jedenfalls lief ich mit geschlossenen Augen zur Seite, hatte nicht an die Unebenheiten des Bodens gedacht, stolperte und wäre fast gefallen. Als ich mich wieder fing, hörte ich auch die Schreie. Sie waren furchtbar, erinnerten mich an schrille Musik und füllten die Höhle bis zum letzten Winkel aus.
    Schreie der Angst? Ich ging das Risiko ein, öffnete die Augen — und sah die Erbin der Medusa am Boden.
    Sie lag auf dem Rücken, das heißt, ihr Torso hatte dort seinen Platz gefunden. Der Kopf war ihr abgeschlagen worden. Er war sogar in meine Nähe gerollt.
    Diesmal sah ich ihn an. Und ich sah auch das Zucken der dünnen Gesichtshaut, das Beben des Mundes, das Ringeln der Schlangen, das einem verzweifelten Überlebenskampf glich, aber niemals gewonnen werden konnte, denn die Tiere rollten sich zusammen, bildeten Klumpen, die dann zu Asche zerfielen.
    Floras Ende…
    Und auch ihr Gesicht verlor an Leben. Sekunden später schaute ich gegen eine bleiche Totenmaske.
    Ich hob meinen Bumerang auf und dachte dabei an die fürchterlichen Schreie. Sie konnten einfach nicht von einer Person ausgestoßen worden sein, und ich hatte meinen Verdacht, der sich bestätigte. Drei Medusen waren übriggeblieben. Sie alle standen unter dem Bann der Flora, und sie alle hatten mit ihr verloren. Vor der ersten Treppenstufe lagen sie.
    Drei Steinfiguren.
    Erstarrt, wie auch Clarissa Main und all die anderen Opfer in ihrem paradiesischen Garten.
    Ich schaute sie mir der Reihe nach an, weil ich sichergehen wollte. Da steckte tatsächlich kein Leben mehr in ihren Körpern. Mit der Vernichtung der Flora waren auch sie vergangen. Nur einen Rest gab es noch. Die Kanne mit Blut, die auf dem Altar stand. Ich ging hin, packte sie mit beiden Händen und wuchtete sie gegen die Felswand, wo sie in zahlreiche Stücke zerbrach und sich der Rest des Blutes über den Boden ergoß. Danach nahm ich Abschied von Clarissa Main. Ich kniete mich neben sie. Ein letztes Mal streichelte ich den starren Körper und schämte mich dabei auch meiner Tränen nicht. Ich hatte damit gerechnet, daß alles gutgehen würde für sie. Leider bin auch ich manchmal zu sehr Mensch.
    Dann verließ ich die Stätte des Schreckens…
    Es schien noch immer die Sonne, doch ihre Strahlen kamen mir plötzlich kalt und abweisend vor. Ich sah auch nicht die Blütenpracht des Gartens, hörte nicht das sprudelnde Wasser, sondern lauschte meinen eigenen Schritten nach, die ungewöhnlich hohl klangen. Bevor ich den Ort verließ, durchsuchte ich das Haus und fand dort einen letzten Toten. Es war der Maler de Greco.
    Er bestand nur mehr aus Staub und bleichen Knochenteilen, verteilt über einen Korbsessel, und die Sonnenstrahlen fielen in einem schrägen Winkel gegen das Gebein. Den Weg zurück kannte ich. Nicht einen Blick mehr gönnte ich diesem Paradies des Schreckens. Es gab viele Fälle in meiner Laufbahn, die mich deprimiert hatten, dieser hier gehörte einfach zu den schlimmsten. Ich würde lange daran zu knacken haben, bis ich ihn restlos überwand.
    Viele junge Menschen hatten ihr Ende zu früh gefunden, weil sie auf die falschen Götter gehört hatten.
    Das Boot lag noch immer in der Bucht. Ich taute es los und schob es ins Wasser, Die Sonne senkte sich bereits, als ich den Motor anstellte und mich durch die Brandung kämpfte. Der Glutball hatte eine intensive rote Farbe bekommen.
    Die Insel Hydra blieb hinter mir zurück. Ich sah keinen Grund mehr, mich noch einmal umzudrehen. Vielleicht würde man in
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