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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel
Autoren: Petra Durst-Benning
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Stephanie erbauen lassen!« Hannah zeigte nach rechts auf ein trotz seiner Größe lieblich wirkendes Gebäude, das inmitten eines großen Gartens stand. »Bestimmt ist die Straße nach ihr benannt. Der Gärtner, der die Grünanlage pflegt, ist auch unser Kunde.«
    Flora nickte sichtlich beeindruckt.
    Je weiter sie die Straße entlangschritten, desto mehr veränderte diese ihr Gesicht: Auch hier waren die Hausfronten zwar sauber geweißelt, reckten sich jedoch mehr in die Höhe als in die Breite. Elegante Schaufenster gab es nicht, stattdessen stand die Ware – Besen, Körbe, Fässer und vieles mehr – einfach auf der Straße. Kleider und Hüte suchte man vergebens in den Auslagen. Dafür kamen Hannah und Flora an einer Schmiede, einem Tabakwarenladen und einem Gemischtwarengeschäft vorbei. Direkt daneben lag ein Laden, dessen Schaufenster vollgestopft war mit alten Büchern.
    Flora runzelte missbilligend die Stirn. »Die schönen Bücher könnte man auch hübscher präsentieren.«
    Hannah gab ihrer Tochter einen kleinen Stups. »Du und deine ›hübschen Präsentationen‹. Komm jetzt lieber!«
    Doch statt weiterzugehen, drückte Flora ihre Nase an die Fensterscheibe. » Die Sprache der Blumen  – was ist denn das?« Sie zeigte auf das oberste Buch auf einem hohen Stapel.
    Â»Wenn du glaubst, wir statten diesem Laden nun auch noch einen Besuch ab, hast du dich getäuscht, meine Liebe«, sagte Hannah energisch. »Vielleicht haben wir an einem der kommenden Tage Zeit für so etwas!«
    Floras Unmut über die Mutter hielt nicht lange an. Diese Vielfalt an Geschäften – hatte der Kutscher die Straße deshalb »Tausend-Seelen-Gass« genannt? Oder weil hier so viele Menschen wohnten und ihrer Arbeit nachgingen? In dieser Straße konnte man sich wohlfühlen, ging es Flora durch den Kopf. Hier vereinte sich das Städtische mit einer Heimeligkeit, wie sie sie aus Gönningen kannte.
    Das Ende der Straße und somit ihr Gasthof seien nun nichtmehr weit, murmelte Hannah und packte Flora fest am Arm, als sie erneut an einem Blumenladen vorbeikamen.
    Im Vergleich zum Maison Kuttner war dieses Geschäft deutlich kleiner. Es gab auch keine hübschen Bäumchen vor der Tür, sondern lediglich einen alten Mann, der sich mit einem abgenutzten Besen bemühte, die zwei Treppenstufen, die zum Laden hochführten, vom Schnee zu befreien.
    Flora lächelte dem Mann kurz zu und warf dabei einen raschen Blick in Richtung des Schaufensters, wo es außer einer Vase mit Nelken und ein paar vergilbten Plakaten nichts zu sehen gab.
    Hannah zupfte an ihrem Ärmel. »Schau, da vorn, die Goldene Henne! Na endlich, ich –«
    Im selben Moment ertönte neben ihnen ein dumpfer Knall, gefolgt von einem Schmerzensschrei.
    Â»Himmel, hilf!« Hannah ließ ihr Gepäck fallen.
    Der alte Mann lag halb auf dem Gehweg, halb auf der Treppe, den Besen seltsam zwischen seinen Beinen verkeilt. Blut lief aus seiner Nase und dem rechten Mundwinkel. Die Zunge des Mannes, die zwischen seinen Lippen hervorsah, schien bereits anzuschwellen, als habe er bei dem Sturz daraufgebissen. Er stöhnte.
    Â»Hören Sie mich? Können wir Sie hineintragen?« Sanft rüttelte Hannah am Arm des Verletzten, gleichzeitig schaute sie über ihre Schulter. Doch ausgerechnet jetzt war die Straße menschenleer.
    Reglos starrte Flora auf das Blut, das in den Schnee tropfte.
    Â»Hallo! Hören Sie mich?«, wiederholte Hannah.
    Der Mann hob mühsam den Kopf und stöhnte. Dann bewegte er sich nicht mehr.
    Endlich erwachte Flora aus ihrer Erstarrung.
    Â»Er stirbt! Um Himmels willen, Mutter – tu doch was!«

3 . K APITEL
    U nd wenn es etwas Modernes sein soll, darf ich Ihnen unsere wunderschönen Zinnien anbieten …« Hannah öffnete ein kleines Leinensäckchen und ließ daraus eine Handvoll Samenkörner auf den Tisch rieseln. Über ihrer Oberlippe hatte sich ein feiner Schweißbart gebildet.
    In der Werkstatt der Gärtnerei Flumm brannte im Bullerofen ein kräftiges Feuer. Nach der Kälte draußen war die Wärme im ersten Moment hochwillkommen gewesen, doch schnell begannen beide Frauen unter ihren Wollkleidern zu schwitzen. Der erdige Duft der Samenkörner – es war nur eine kleine Probe zur Ansicht, die eigentliche Lieferung würde erst später von
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