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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel
Autoren: Petra Durst-Benning
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immer ganz genau, wo und zu welcher Jahreszeit sie welche Blumen finden konnte: Am Waldrand sammelte sie Weidenröschen, in der Nähe der Kornäcker standen Margeriten, Mohn und Kornblumen. Am Bach entlang pflückte sie Schlüsselblumen sowie das von ihr so sehr geliebte Wiesenschaumkraut. »Kuckucksblumen«, nannte Hannah es. Und Kuckucksspucke sagte sie zu dem Schaum, der sich im Frühjahr auf den zartlila Blüten bildete und in den Insekten ihre Larven legten. Als Flora diese Schaumnester zum ersten Mal gesehen hatte, war sie entsetzt gewesen. »Wie kann jemand die schönen Blumen so schmutzig machen?«, hatte sie heulend von ihrer Mutter wissen wollen. Und die hatte lachend gesagt: »Das ist doch nur Kuckucksspucke!« Seitdem verwendete Flora den Ausdruck immer dann, wenn sie in heller Aufregung war – was ihr oftmals seltsame Blicke einbrachte.
    Die Reutlinger Gärtnerei war eine Enttäuschung gewesen. Ums Blumenbinden war es dort fast nie gegangen, dafür umso mehr um den Anbau und die Pflege der Blumen.
    Natürlich hatte das halbe Dorf mitbekommen, dass Floras »Blumenbinderlehre« ein Misserfolg war.
    Â»Die Sämereien waren ihr ja nicht fein genug!«
    Â»Nur das eigene Vergnügen hat sie im Kopf, wie die Eltern zurechtkommen, das kümmert sie nicht …«
    So oder so ähnlich hatte es geheißen, als Flora wie ein geprügelter Hund nach Gönningen zurückgekehrt war.
    Ihre Brüder hatten laut gelacht – in ihren Augen war die Schwester mit ihrem Blumenfieber sowieso eine Verrückte. Die Eltern waren halb verärgert, halb ratlos gewesen. Und Seraphine, ihre Tante, sagte etwas wie: »Auch ich hatte einmal Träume …«, und dass man diese am besten so schnell wie möglich beerdigte. Verflixt noch mal, das versuchte sie ja, aber –
    Â»â€¦ hingefallen? Du lieber Himmel! Der alte Herr Sonnenschein kränkelt schon seit geraumer Zeit ständig mit einer Erkältung oder er hat es im Kreuz oder wird von sonst einem Zipperlein geplagt. Nicht, dass er jammern würde! Immer versucht er, die ganze Welt davon zu überzeugen, wie gut er alles meistert. Sein Sohn hilft ihm, wo er nur kann. Aber viel Zeit hat er nicht, der Friedrich. Er arbeitet in der Trinkhalle, aber fragen Sie mich nicht, was genau er dort tut. Von uns Baden-Badenern setzt kaum jemand einen Fuß dort hinein, das ist nur was für unsere verehrten Kurgäste.« Der ironische Unterton in Gärtner Flumms Stimme war nicht zu überhören.
    Â»Sprecht ihr über den Mann aus dem Blumenladen?« Floras Frage kam so unvermittelt, dass sowohl Hannah als auch der Gärtner zusammenzuckten. Fast schien es, als hätten sie die Anwesenheit der Jüngeren vergessen.
    Hannah warf ihrer Tochter einen missbilligenden Blick zu. »Wie schön, dass du noch nicht eingeschlafen bist!«, zischte sie.
    Â»Kuno Sonnenschein war mal einer meiner guten Kunden.« Der Gärtner seufzte. »Aber inzwischen scheint das Geld im Hause Sonnenschein ziemlich knapp zu sein, denn er kauft immer nur das Billigste …«
    Hannah machte ein mitleidiges Gesicht. »Wahrscheinlich ist der arme Herr Sonnenschein auch schon verwitwet?«
    Â»O nein, die gnädige Frau Sonnenschein ist noch höchst lebendig, aber … wie soll ich sagen? Eine Hilfe ist sie ihrem Mann nicht. Sie hat sogar selbst Hilfe im Haushalt, als wäre sie eine feine Dame. So müsste mir mal meine Else kommen!« Der Gärtner lachte.
    Hannah räusperte sich, dann sagte sie zuckersüß: »Ob Sie es glauben oder nicht – auch ich habe eine Magd. Mein Mann ist nämlich der Ansicht, dass ich im Geschäft viel nützlicher bin.«
    Siegfried Flumm blickte sie irritiert an. »So gesehen …«
    Unwillkürlich musste Flora grinsen. Mutter konnte eine ziemliche Kratzbürste sein! Bevor sie am Ende noch mit einem durchgestrichenen Bestellzettel dasaßen, startete Flora ein Ablenkungsmanöver.
    Â»Gibt es denn keine Tochter in der Familie? Also, wenn meine Eltern einen Blumenladen hätten, wäre es für mich das Natürlichste von der Welt, dort mitzuarbeiten.«
    Die Miene des Gärtners hellte sich wieder auf. »Eine Tochter gibts, aber die ist ins Kloster gegangen …«
    Hannah holte tief Luft. »Tja, es hat halt nicht jeder so viel Glück wie Sie mit Ihrem wunderbar florierenden Betrieb, in dem alle
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