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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel
Autoren: Petra Durst-Benning
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ersten Windhauch umgeweht wurde. Mutter und Tochter hatten beide braune Augen, doch während Hannahs wie Kohlesteine funkelten, glich Floras Augenfarbe dem Braun eines Stücks Schokolade. Hannah fand ihre Tochter hübsch, wusste jedoch, dass sie keine atemberaubende Schönheit war. Dafür aber ein liebes Mädchen. Meistens jedenfalls …
    Wenn sie die Tochter damals, vor einundzwanzig Jahren, nicht unter dem Herzen getragen hätte, hätte sie sich nie auf den Weg von Nürnberg nach Gönningen gemacht, an den Rand der Schwäbischen Alb. Womöglich wäre sie ihr Leben lang eine Magd im elterlichen Gasthof geblieben. Oder sie hätte irgendeinen fränkischen Griesgram geheiratet. Ohne dieses Kind hätte sie Helmut nicht bekommen! Den Mann, den sie so sehr liebte, dass es manchmal fast wehtat. Begeistert war er allerdings nicht gewesen, als sie mit einem Koffer in der Hand an einem kalten Dezembertag in Gönningen ankam und ihm die »frohe Botschaft« ihrer Schwangerschaft mitteilte. Er hatte jedoch getan, was ein Ehrenmann in dieser Situation tun musste: Er hatte sie geheiratet. Die große Liebe war es damals weiß Gott noch nicht gewesen. Die war erst im Laufe der Jahre gewachsen. Heute aber konnte sich Hannah ein Leben ohne Helmut nicht mehr vorstellen. Ein anderes Leben als das einer Samenhändlerin in Gönningen auch nicht. Und ihre Tochter sollte dasselbe Glück erleben.
    Flora, die Göttin der Blumen – die keine Samenhändlerin werden wollte, sondern von etwas ganz anderem träumte. Die immer nur ihre Blumen im Kopf hatte. Ob diese Narretei tatsächlich etwas mit ihrem Namen zu tun hatte? So mancher im Dorf behauptete das. »Hättet ihr halt eine Waltraud oder eine Edelgard aus ihr gemacht!« So ähnlich hieß es dann. Im Stillen meinten die Leute damit, dass es nicht recht sei, mit der alten Sitte, den Namen des Paten an das Kind weiterzugeben, zu brechen.
    Dabei hatte Helmut den ungewöhnlichen Namen vorgeschlagen. »Ein Kind, das mitten in der Natur zur Welt kommt, kann doch gar keinen anderen Namen erhalten als den der Blumengöttin«, hatte er gesagt. Hannah war alles recht gewesen, sie hatte in jenen Tagen kaum einen klaren Gedanken fassen können. Mitten auf dem Acker war die Fruchtblase geplatzt – man stelle sich das nur vor! Von ihrer überstürzten Ankunft einmal abgesehen, hatte Flora ihnen jedoch keine Mühe gemacht. Sie war ein liebreizendes Kind gewesen, und alle im Dorf hatten stets ein freundliches Wort für das kleine Mädchen mit seinen Blumensträußen übrig gehabt.
    Die Erinnerungen ließen Hannah lächeln, doch schon im nächsten Moment seufzte sie erneut auf.
    Liebreizend konnte man Flora in letzter Zeit gewiss nicht mehr nennen. Und jetzt saß sie mit einer Miene neben ihr, als würde sie zum Schafott gefahren!
    Â»Es reicht, mein Kind.« Der Kopf des Kutschers fuhr herum, doch Hannah kümmerte es nicht. Es gab Dinge, die einfach gesagt werden mussten.
    Â»Ich weiß, dass du immer noch davon träumst, Blumenbinderin zu werden. Aber Träume sind nun einmal Schäume. Dir hat es in der Gärtnerei Gruber in Reutlingen doch überhaupt nicht gefallen! Du warst eine Magd, hast für andere Leute geackert, während ich daheim vor lauter Arbeit nicht mehr wusste, wo mir der Kopf stand. Dass dein Vater und ich dich zur Frau Gruber haben gehen lassen, war ein großes Zugeständnis.Du wolltest etwas lernen – da mochten wir dir nicht im Wege stehen. Aber was ist dabei herausgekommen? Dir hat es vor der Arbeit gegraut! Regelrecht angebettelt hast du den Vater, damit du nicht mehr hinmusst … Bitte halten Sie an!«, wandte sie sich plötzlich an den Fahrer.
    Â»Hier? Aber ich dachte, sie wollten in die Tausend-Seelen-Gass?« Mürrisch schüttelte der Mann den Kopf, half Hannah aber dabei, ihr Gepäck auszuladen.
    Â»Das war ja auch gar kein richtiger Blumenladen, viel eher ein Bauernhof! Anderswo hätte ich sicher mehr übers Blumenbinden gelernt …«, murrte Flora und kratzte mit ihrer Schuhspitze ein Loch in den Schnee.
    Am liebsten hätte Hannah sie in den Arm genommen. Stattdessen sagte sie: »Wie dem auch sei – jetzt ist es an der Zeit, dass du bei uns mitarbeitest, so, wie deine Freundinnen es bei ihren Eltern auch tun. Nicht, dass es allen dabei so gut ergeht wie dir … Schau dir zum Beispiel
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