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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel
Autoren: Petra Durst-Benning
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zu Hause aus erfolgen – mischte sich mit dem Geruch der schwitzenden Leiber und dem des Hundes, der in seinem Korb neben der Tür döste und hin und wieder mit den Pfoten zuckte.
    Einen Moment lang fühlte sich Flora in die heimische Packstube versetzt – dort roch es ganz ähnlich. Nicht, dass sie sich dorthin zurückwünschte! Von früh bis spät Sämereien abwiegen, in Tüten packen, diese bestempeln oder beschriften, dann alles in große Pakete verschnüren, die zum Bahnhof gebracht werden mussten – es waren immer dieselben Arbeiten.
    Flora gähnte. Wenn es bloß nicht so stickig wäre … Immer wieder wanderten ihre Gedanken durch das feucht beschlagene Fenster auf und davon.
    Wie es dem alten Mann wohl ging? Er war so schwach gewesen und gleichzeitig so aufgeregt! Und geweint hatte er, weil er allen so viele »Umstände« bereitete. Hannah und Flora waren sehr erleichtert gewesen, als er aus seiner Ohnmacht wieder erwachte. Ob der Sohn, den irgendjemand verständigt hatte, den Vater wohl in ein Krankenhaus gebracht oder wenigstens einen Arzt gerufen hatte?
    Â»Allerbeste Qualität, sehr wuchsfreudig und robust, Sie können unsere Zinnien direkt ins Freibeet säen!« Noch währendHannah sprach, schlug sie in ihrer Preisliste die richtige Seite auf und tippte auf die entsprechende Zeile. »Und der Preis kann sich auch sehen lassen!«
    Flora, der inzwischen kleine Schweißperlen zwischen den Brüsten hinabrannen, schaute stumm zu, wie ihre Mutter dem Gärtner eine Sorte Blumensamen nach der anderen verkaufte. Mit jeder Zeile, die sie im Bestellschein ausfüllte, wurde Hannahs Miene entspannter. Was die Zinnien anging, blieb der Mann jedoch zögerlich.
    Â»Diese Farben! Vom zarten Hellrosa bis ins tiefste, hochelegante Lila ist alles dabei.« Hannah schloss ihre Augen für einen Moment, ihr Ausdruck war voller Verzückung. Dann schnappte sie sich ein zweites Buch, blätterte es rasch durch und tippte auf eine Zeichnung. Zinnien in allen möglichen Farben waren darauf zu sehen, so detailreich gemalt, dass man beim Betrachten das Gefühl hatte, die samtig wolligen Blüten in der Hand und ihren krautigen Duft in der Nase zu haben. »Sind die nicht wundervoll?«
    Â»Also gut!«, sagte Siegfried Flumm. »In den letzten Jahren waren bäuerliche Blumen zwar nicht sonderlich gefragt, alle schrien nach eleganten Sorten, aber wer weiß?« Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ist dieses Jahr das Rustikale wieder Trumpf?«
    Hannah nickte eifrig. »Natürlich empfehle ich unbedingt auch einige elegante Sorten. So wie unseren hochfeinen Rittersporn … Möchten Sie selbst einen Blick in unser Musterbuch werfen?«
    Mit anerkennendem Nicken tippte der Gärtner hier auf eine Jungfer im Grünen, da auf ein Schmuckkörbchen und ein paar Seiten weiter auf ein paar Sommerastern. Hannah notierte eifrig.
    Die Idee zu diesem Buch hatte einst Seraphine gehabt, Floras Tante. Saatgut machte optisch natürlich nicht viel her, es bedurfte seitens des Kunden schon einiger Fantasie, sich vorzustellen, dass aus einer Handvoll brauner Körner einmal die schönstenBlumen entstehen würden. Bunte Blumenbilder würden beim Verkaufen helfen, hatte Seraphine argumentiert. Dank ihrer künstlerischen Begabung war vor vielen Jahren das erste Musterbuch entstanden. Inzwischen hatte sie für jedes Mitglied der Familie Kerner, das auf die Reise ging, ein solches Buch angefertigt. Auch Flora sollte solch eine Verkaufshilfe bekommen – derzeit war Seraphine mit Eifer dabei, es fertigzustellen.
    Flora seufzte leise. Alle in der Familie schienen ihren Platz im Samenhandel gefunden zu haben und waren glücklich damit. Alle außer ihr. Warum das so war, verstand niemand, sie selbst am allerwenigsten.
    Â»Eine Blumenbinderin will ich werden. Das und nichts anderes!«, hatte sie so lange gequengelt, bis die Eltern sie schließlich im letzten Jahr in die Reutlinger Gärtnerei hatten gehen lassen. Nicht, weil sie von Floras Entscheidung überzeugt gewesen wären, aber Floras Blumenliebe hatten sie irgendwann nichts mehr entgegenzusetzen gehabt.
    Schon als kleines Mädchen hatte es für Flora nichts Schöneres gegeben, als stundenlang die Wiesen rund ums Dorf zu durchstreifen und Blumen zu pflücken. Ohne dass ihr dies je einer der Erwachsenen erklärt hätte, wusste sie
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