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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel
Autoren: Petra Durst-Benning
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das darf ich mich kümmern. Jetzt nach dem Krieg stehen große Entscheidungen an, es geht nicht nur um die Zukunft der Trinkhalle, sondern um alles, wofür sie steht! Was wird aus Baden-Baden werden, jetzt, wo die Franzosen nicht mehr kommen? Wer sind die zukünftigen Kurgäste? Ich hoffe so sehr, dass die neuen Gäste unsere feinen Wässer mehr zu schätzen wissen. Dass sie nicht mehr allein wegen des Casinos kommen, sondern wegen einer Bade- und Trinkkur. Glauben Sie mir, Baden-Baden stehen aufregende Zeiten bevor …«
    Feine Wässer? Trinkkur? Flora verstand kein Wort, spürteaber das Feuer, das in Friedrich brannte. »Und Sie wollen ein Teil davon sein«, sagte sie – in der Hoffnung, dass es das Richtige war.
    Er nickte heftig und trank einen so großen Schluck Bier, dass ihm ein paar Tropfen das Kinn hinabliefen. Er wischte sich mit dem Ärmel über den Mund und schaute sich kurz um, als wolle er sich vergewissern, dass er keine Mithörer zu fürchten hatte. Dann sagte er leiser: »Bisher hat der jeweilige Pächter der Spielbank für den Erhalt der Trinkhalle gezahlt. Nun munkelt man aber, dass eine völlig neue Art der Kurverwaltung geschaffen werden soll, die vielleicht auch die Verantwortung für die Trinkhalle übernimmt. Das könnte ihre Bedeutung enorm stärken. Es könnte aber genauso gut auch zu ihrem Untergang führen. Und statt teilzuhaben an diesem Prozess, soll ich beim Vater im Laden Blumen gießen? Das …« Er verstummte und schüttelte den Kopf, als ertrüge er die Vorstellung nicht.
    Â»Und in Ihrer Schwester haben Sie auch keine Hilfe?«, fragte Flora und ihr Herz pochte plötzlich wie verrückt. Friedrich wusste ja gar nicht, wie sehr sie ihn beneidete! Ich helfe Ihnen!, hätte sie am liebsten ausgerufen. Stattdessen ritzte sie mit ihrem Fingernagel kleine Rillen in die Tischoberfläche.
    Â»Meine Schwester ist lieber dem Ruf Gottes gefolgt, als sich um die Eltern zu kümmern.« Friedrich klang nun richtig bitter. »Wahrscheinlich spricht man bei ihr von ›Berufung‹, und jeder ist so verständnisvoll, dass sie dieser Berufung folgen muss! Bei mir hingegen wird nur von einer ›fixen Idee‹ gesprochen, wenn ich glaube, für die Entwicklung Baden-Badens einen sinnvollen Beitrag leisten zu können. In den Augen der Leute wäre es besser, wenn ich das elterliche Geschäft übernehme. Nur: Wie man solch eine ›fixe Idee‹ aus dem Kopf kriegt – das kann mir keiner sagen. Es geht doch hier nicht um Unkraut, das man so einfach an der Wurzel packen und ausreißen kann!«
    Ohne dass es ihr recht bewusst war, ergriff Flora Friedrich Sonnenscheins Hand. Ihre Finger krallten sich geradezu in sein Fleisch. »Sie glauben ja nicht, wie gut ich Sie verstehen kann, von mir verlangen sie nämlich dasselbe!«, rief sie so laut, dass sich ein paar ihrer Tischnachbarn zu ihr umdrehten. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Abrupt ließ sie Friedrichs Hand wieder los.
    In einem rauen Flüsterton fuhr Flora fort: »Auch ich werde dazu gezwungen, im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten. Dabei habe ich mein ganzes Leben davon geträumt, eine Blumenbinderin zu werden, schon –«
    Â»Das gibt es doch gar nicht«, unterbrach Friedrich sie ungläubig. »Wenn ichs doch sage!« Flora lachte laut auf. »Schon als kleines Kind gab es für mich nichts Schöneres, als Sträuße zu binden – der Samenhandel hingegen interessiert mich einfach nicht. Wie gern würde ich mit Ihnen tauschen! Ach, das Leben ist einfach ungerecht.«
    Hannah, die gerade ein Gespräch mit der Wirtin beendet hatte, kam wieder an den Tisch.
    Â»Ist das nicht ein netter Abend? Habe ich dir nicht gesagt, das Handeltreiben würde dir Spaß machen?«, sagte sie triumphierend.
    Flora und Friedrich schauten sich an. Und im nächsten Moment prusteten beide los.

5 . K APITEL
    D er Rest der Reise verlief genauso betriebsam und erfolgreich wie der erste Tag. Wo immer sich Hannah und Flora zeigten, wurden sie freudig begrüßt. Die Kundschaft war in Kauflaune: Im Kriegsjahr hatte ein Großteil der Gärten brachgelegen oder man hatte sich mit Restbeständen von Sämereien beholfen – nun war den Menschen nach wogenden Blütenmeeren zumute, nach Farbe und Duft, die die Erinnerung an Angst und Schrecken für immer
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