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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel
Autoren: Petra Durst-Benning
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vertrieben.
    Kein Kunde war abtrünnig geworden. Hannah konnte es kaum erwarten, Helmut diese frohe Botschaft zu überbringen.
    Nach zehn Tagen hatten sie alle Kundenadressen auf ihrer Liste abgehakt, und sowohl Mutter als auch Tochter freuten sich darauf, wieder nach Hause zu fahren, im eigenen Bett schlafen zu dürfen, vom eigenen Herd zu essen … Auf Helmut konnten sie sich nicht freuen – er und sein Bruder Valentin wurden erst gegen Ostern aus Böhmen zurückerwartet. Dafür würden die Zwillinge schon zu Hause sein. Ihr Samenstrich rund um Herrenberg gab nicht so viel her, dass er längere Reisen nötig gemacht hätte.

    Flora konnte nicht behaupten, dass sie bei ihrer ersten Reise am Samenhandel Gefallen gefunden hatte, aber der größte Widerwillen hatte sich zumindest verflüchtigt. Die Kundengespräche fand sie beispielsweise recht interessant. Und dass auch Blumensorten Moden unterworfen waren, war eine neue Erkenntnis für sie. Sämtliche kleinwüchsigen Sorten seien derzeit weniger gefragt, während langstielige Sorten hoch im Kurs standen. Auch wurden Blüten mit intensiven Farben gewünscht – Pastelltöne dafür weniger.
    Als versierte Samenhändlerin ging Hannah natürlich auf all diese Wünsche ein. Aber würden die Kunden im nächsten Jahr bei ihr, Flora, genauso viel kaufen?, fragte sie sich skeptisch und nahm sich vor, den Sommer über noch ein wenig die Pflanzeigenschaften der ungewöhnlicheren Sorten kennenzulernen, um für die Kundengespräche besser gerüstet zu sein.
    Friedrich Sonnenschein sah sie nur noch ein einziges Mal wieder, und das gleich am Morgen nach ihrem Gespräch im Wirtshaus. Sie und die Mutter waren gerade erst aus der Goldenen Henne getreten und banden sich ihre dicken Wollschals fester um den Hals, als er mit einer Aktentasche unter dem Arm die Gasse entlangkam.
    Â»Und Sie haben gestern Abend wirklich nicht geflunkert?«, fragte er unvermittelt, nachdem er sie begrüßt hatte. »Ich meine, was Ihren allergrößten Traum betrifft?«
    Â»Nein, wirklich nicht«, erwiderte Flora lachend.
    Â»Das Leben ist manchmal ungerecht und gemein …«, murmelte er vor sich hin und ging ohne ein weiteres Wort seines Weges.
    Â»Darf ich fragen, was das zu bedeuten hatte?«, wollte Hannah von ihrer Tochter wissen.
    Â»Ach, nichts«, antwortete Flora und schaute Friedrich mit einem kleinen Seufzer nach.
    Wie recht er hatte …

    Als der Zug mit einem Rucken anfuhr, lehnte sich Hannah tief in ihrem Sitz zurück. »Geschafft!« Lächelnd hielt sie Flora, die ihr gegenübersaß, die rechte Hand hin. »Gratulation! Deine erste Verkaufsreise. Gut hast dus gemacht.«
    Flora lächelte zurück. »Meinst du wirklich?«
    Hannah nickte. »Ja, und deshalb –« Geheimnisvoll kramte sie in ihrem Rucksack und zog ein schmales, in braunes Packpapier gewickeltes Päckchen hervor. »Für dich! Als Erinnerung an deine erste Reise.«
    Mit einem Stirnrunzeln löste Flora die Paketschnur.
    Â» Die Sprache der Blumen  – Mutter!« Floras Aufschrei ließ die anderen Mitreisenden zusammenzucken. »Daran habe ich gar nicht mehr gedacht! Wann hast du –«
    Â»Hat mir die Wirtin besorgt«, unterbrach Hannah sie. »Ich dachte, du hättest vielleicht Spaß daran.«

    Hatte Flora geglaubt, ihr wäre nach der Reise eine Verschnaufpause gegönnt, so hatte sie sich getäuscht: Schon am Morgen nach ihrer Heimkehr rief die Mutter sie in die Packstube, wo Gustav und Siegfried, die Zwillinge, bereits bei der Arbeit waren. Flora bekam einen Stapel Bestellzettel in die Hand gedrückt und dann hieß es Sämereien abwiegen, in Tütchen oder Säcke füllen und beschriften. Für die wichtigsten Sorten besaßen sie seit einiger Zeit Stempel – das Stempeln gefiel Flora besser als das mühsamere Von-Hand-Beschriften. War eine Bestellungvollständig zusammengestellt, wurde sie in riesige Bögen Packpapier geschlagen und erneut beschriftet, dieses Mal mit der Adresse des Empfängers. Flora hatte nun zu jedem Namen ein Gesicht vor Augen, was die Arbeit für sie interessanter und somit erträglicher machte. Bald stapelte sich die fertig verpackte Ware nicht nur in der Packstube, sondern auch im Flur davor. Zwei Mal in der Woche ließen sie die Pakete von einem Fuhrwerk abholen und zum Bahnhof
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