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Das Blumenorakel

Das Blumenorakel

Titel: Das Blumenorakel
Autoren: Petra Durst-Benning
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bringen, sodass alles rechtzeitig vor Beginn der Gartensaison bei den Kunden ankommen würde.
    Â»In früheren Zeiten haben wir das alles mit den Pferdewagen erledigt«, erzählte Hannah ihren Kindern immer wieder. »Bei Schnee und Eis war das eine ziemliche Plackerei. Und gefährlich obendrein.«
    Flora und ihre Brüder verdrehten hinter Hannahs Rücken die Augen. Immer dieselbe Leier!

    Flora musste anfangs mehr als einmal an Friedrich Sonnenschein und seinen Vater denken. Wie es dem alten Herrn wohl ging? Womöglich hatte die Gesundheit des alten Mannes weiter gelitten, sodass er seinen Laden gar nicht mehr führen konnte?
    Doch im Laufe der Wochen schmolzen die Erinnerungen an den Zwischenfall in Baden-Baden dahin – genau wie der Schnee. Nach einem letzten Aufbäumen des Winters mit heftigen Schneefällen und einem Ostwind, der einem die Ohren blau frieren ließ, wurde die Schneedecke Mitte März löchrig wie ein altes Leintuch. Täglich war nun auf den Wiesen mehr Grün zu sehen, und zum Monatsende hin war der Winter völlig verschwunden.
    So oft es ging lief Flora aus dem Dorf hinaus, um die Fortschritte der Natur zu beobachten. Aber erst Anfang April zeigten sich die ersten Schlüsselblumen, Gänse- und Leberblümchen. Noch musste man genau hinschauen, um die winzigen Blüten zwischen dem Gras zu entdecken, aber Flora freute sich über jedes noch so winzige Sträußchen, das sie binden konnte. Sie konnte nicht genug bekommen von den zarten Farben der Blüten, die hingehaucht waren wie aus einem Aquarellkasten.

    Zum ersten Mal in ihrem Leben verschenkte Flora ihre Blumensträuße nicht mehr wahllos an den Erstbesten, der ihr über den Weg lief. Und das hatte mit dem kleinen Büchlein aus Baden-Baden zu tun. Die Sprache der Blumen  – was für ein schöner Titel, dachte Flora jedes Mal, wenn sie es zur Hand nahm. Und was für ein unglaublich spannendes Thema – dabei war das Buch schon fast vierzig Jahre alt.
    Flora fand darin beispielsweise den Hinweis, dass, wenn man Schlüsselblumen verschenkte, folgende Aussage dahinterstehen konnte: »Wie gern würde ich den Schlüssel zu deinem Herzen erlangen!«
    Dass sie im vergangenen Jahr ausgerechnet dem trinkfreudigen Metzger einen Schlüsselblumenstrauß geschenkt hatte, ließ sie jetzt laut auflachen.
    Zu dem Stichwort Leberblümchen wiederum las sie, dass auf das Glück des Frühlings nicht zwangsweise auch ein glücklicher Herbst folgen musste. Vielleicht tat sie gut daran, einen solchen Strauß nicht ausgerechnet der Witwe Schlagenhöfer zu schenken, die von früh bis spät nur den frühen Tod ihres geliebten Eugen betrauerte?
    Zu Floras Erstaunen zeigten sowohl Seraphine als auch Suse großes Interesse an dem Buch. Die Tante lobte die schönen Blumenzeichnungen, sie interessierte sich aber auch dafür, was es bedeutete, wenn man diese oder jene Blume verschenkte.
    Â»Hör doch nur, Flora, Kreuzblumen bedeuten: ›Ich muss dich vergessen, auch wenn mein Herz dabei blutet.‹« Mit glänzenden Augen schaute sie die Nichte an. »Schenke mir bitte nie einen Strauß Kreuzblumen!«
    Flora, die nicht einmal gewusst hätte, woher sie die hätte nehmen sollen, nickte verwirrt.
    Â»Deine Tante ist wirklich ein wenig komisch«, sagte Suse, als Flora ihr davon erzählte.
    Es war ein sonniger Frühlingstag, und die Mädchen waren vor ihren Müttern geflohen, die ständig neue Aufgaben für sie ersannen. Jetzt hockten sie auf einer Bank am Ufer der Wiesaz.
    Â»Sei ja nicht so dumm, deiner Tante aus lauter Liebenswürdigkeit das Buch zu schenken, so was bekommst du nie mehr!« Suse versetzte Flora einen Stoß in die Rippen. »Komm, wir schauen lieber, welche Blumen ich meinem Franz schenken könnte.«
    Â»Junge Damen verschenken gar keine Blumen an junge Männer«, entgegnete Flora und verdrehte die Augen. Franz hier und Franz da! Suse nutzte wirklich jede Gelegenheit, um über Franz, einen Samenhändlerssohn aus dem Ort, mit dem sie sich heimlich traf, zu reden.
    Â»Erst gestern hat er mir wieder gesagt, wie sehr er mich liebt. Ob ich ihm wohl glauben kann?« Skeptisch schaute Suse die Freundin an.
    Flora grinste. »Frag doch das Blumenorakel!«
    Â»Könntest du nicht …? Och bitte! Dir ist das Orakel immer wohlgesinnt.«
    Seufzend pflückte Flora ein
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