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Das Biest in ihm (German Edition)

Das Biest in ihm (German Edition)

Titel: Das Biest in ihm (German Edition)
Autoren: Swantje Berndt
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nehmen, legte sie ihn schulterzuckend auf die Werkbank. Die Katze fauchte sie an und sie sprang einen Schritt zurück. Braves Tier!
    „Na dann schönen Tag noch, Herr Fabius.“
    Zügig trat sie den Rückweg an. Ihr leises Schimpfen über ihn und sein unmögliches Verhalten blieb ihm nicht verborgen. Der Umschlag lag da und wartete auf ihn. Der A b sender lautete Lorena Fabius. Seine Mutter. Weder schrieb sie ihm n och rief sie jemals an. Aus blanker Sentimentalität teilte er ihr jeden seiner U m züge mit, erwartete aber nie mals eine Reaktion. Einen Umschlag solchen Ausmaßes von ihr zu erhalten, konnte nur etwas Unangenehmes bedeuten. Er entschloss sich, ihn zu ignorieren, und begann die let z ten Konturen in den kraftvollen Körper des Fauns zu meißeln. Aber er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Der Umschlag lenkte ihn ab. „Verdammt!“ Er legte den Mei ßel beiseite. Das schlichte braune Papier irritierte ihn immer mehr. Er riss den Umschlag auf und neben dem Geschreibsel eines Testamentsvollstreckers und mehreren kleinen U m schlägen war noch ein Brief von ihr enthalten, in dem sie ihm den Tod seines Vaters mitteilte. Einfach so. In zwei Sätzen. Vor zehn Jahren. Damals war Vincent au s gezogen. Warum kam diese Nachricht erst jetzt? Das Gefasel des Notars verstand er nur zur Häl f te. Seine Mutter sei verstorben. Den Inhalt des Umschlags hätte sie für ihren Sohn b e stimmt und der Kanzlei zur Aufbewahrung übergeben. Weder seinen Vater noch seine Mutter hatte er seit zehn Jahren gesehen, gehört oder sonst wie wahrgenommen. Trotz dem versetzte ihm diese Nachricht einen Schlag ins Genick. Bis zu diesem trag i schen Tag, als sich zum ersten Mal zeigte, was noch alles in ihm steckte, hatte n sie ein inniges Ve r hältnis gehabt. Danach war es vorbei gew e sen.
    An den Haaren hatte ihn sein Vater aus dem Bett gezogen, dabei hatte das Mädchen noch neben ihm gelegen. Er hatte ihn in den Keller gesperrt und bis zum Morgen dort unten gelassen. In der Finsternis war er zur Bestie g e worden. Vor Wut, vor Angst. Nicht vor Lust. Er war sicher gewesen, sterben zu mü s sen.
    Die Tintenschrift verschwamm vor seinen Augen. Die Katze sprang auf seine Schul ter, legte sich in seinen Nacken. Sie rieb ihren Pelzkopf an seiner Wange und die Schrift ve r schwamm noch mehr. Der Rest des Umschlags interessierte ihn nicht. Was sollten Eltern ihm mitteilen wollen, die ihm beim Auszug nicht in die Augen sehen konnte n? Er setzte die Katze ab, packte alles unter den Arm und trennte sich von se i nem schreienden Faun.
    Die alte Kommode im Lagerraum war ein guter Platz für diesen Dreck. Sol l ten sich die Holzwürmer am Papier versuchen.
    „Vince?“
    Pauls Schritte klackerten auf der Treppe. Vincent wischte sich über die Augen und ho l te tief Luft. „Ich bin hier!“ Bevor Paul einen Fuß über die Schwelle setzte, drückte er auf den Lichtscha l ter.
    „Ich hasse es, dich hier suchen zu müssen. Diese Wohnung ist ein Gruse l kabinett . “
    Sie beherbergte seine Geschöpfte. Sie war seine Galerie, sein Panoptikum der Angst und sein Verkauf s raum.
    „Trolle, Monster, Drachen. Du bist krank, wenn du so was machst.“ Er schüttelte sich und zog die Schultern bis zu den Ohren.
    „Was ist los ?“
    „Ein Typ namens Krause hat angerufen. Er lässt fragen, ob seine Vorgarte n deko fertig ist.“
    Der Drache hockte vor ihm. Granit. Er würde über den Preis nicht verha n deln. „Sag ihm, er kann ihn ab holen.“
    Paul verschränkte die Arme vor der Brust. „Bin ich dein Sekretär?“
    „Willst du nachher die Wohnung für dich?“
    „Moralischer Druck?“
    Ein Brauenzucken reichte und Paul stapfte nach oben. Vincent kauerte sich in die hin terste Ecke. Sein Auszug damals war eine Flucht gewesen. Viele folgten. Absteigen, klei ne Zimmer, winzige Wohnungen, dann die Bekanntschaft mit einem Bil d hauer, der sich um den Verstand gesoffen hatte . Die Übernahme seines Ateliers, seines Werkzeugs, sei nes Wissens. Damals hatte Vi n cent zum ersten Mal sein eigenes Geld verdient. Es war ein gutes Gefühl gewesen, seine Kreaturen aus der Hand zu geben und noch ein besse res, sich ordentliche Wohnungen leisten zu können. Dann kam der Unfall mit dem er s ten Mädchen. Er musste fortziehen. Die Stadt war größer, seine Kunden reicher und seine G e schöpfe wurden mächtiger, bedrohlicher und begehrter. Dann die Freundschaft mit Paul, seine ständige Gel d not und Vincents Angebot, ihn über die Runden zu brin gen, wenn er bei
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