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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer
Autoren: Sue Grafton
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Liebe Leserin, lieber Leser,

    eine kleine Anmerkung, um den Zeitrahmen dieser »Alphabet-Krimis« zu definieren. Falls Sie mitunter vermutet haben, mir seien Fehler bei der Berechnung von Altersangaben und Daten unterlaufen, sollten Sie wissen, dass Nichts zu verlieren [A wie Alibi] im Mai 1982 spielt, In aller Stille [B wie Bruch] im Juni 1982, Abgrundtief [C wie Callahan] im August 1982 und so weiter. Da die Bücher in chronologischer Reihenfolge stehen, verläuft Kinsey Millhones Leben wesentlich langsamer als das unsere. Infolgedessen sitzt Ms. Millhone in einer Zeitschleife fest. Ohne eigenes Verschulden lebt und arbeitet sie momentan im Jahr 1986 und hat daher weder Zugang zu Handys, dem Internet oder bestimmten Hightech-Geräten, die Privatdetektive heutzutage einsetzen, wenn sie nach Vermissten suchen, Hintergrundinformationen ermitteln und Finanzdaten sammeln. Sie verlässt sich stattdessen auf Hartnäckigkeit, Fantasie und Einfallsreichtum; das Handwerkszeug des althergebrachten Schnüfflers in der Tradition der hartgesottenen Detektive. Vielleicht kommt eines Tages der Moment, an dem ich einen Knick in die erzählte Zeit mache und ihr erlaube, sang- und klanglos in die Gegenwart zu springen, zu hüpfen und zu hopsen, ohne sie dabei dem normalen Alterungsprozess zu unterwerfen.

    Zunächst möchte ich jedoch als ihre Biograf in Themen des Tagesgeschehens oder die Erwähnung von Ereignissen vermeiden, die auf bestimmte Daten festgelegt sind. Sie werden — wenn überhaupt — nur wenige Hinweise auf gerade »angesagte« Musik, Filme, Trends, Moden oder aktuelle Geschehnisse finden. Dieses Buch ist insofern eine Ausnahme, als es Bezug auf den Vietnamkrieg und Vorgänge nimmt, die einige Jahre vor den hier beschriebenen Begebenheiten liegen. Da es die Geschichte erfordert, bevölkere ich historische Episoden mit verschiedenen erfundenen Figuren. Auch projiziere ich bestimmte fiktive Personen in akademische Institutionen und politische Umfelder, in denen ihre Existenz von ihren »echten« Gegenstücken sicherlich abgestritten werden würde. In meinen Augen ist das Gute an erfundenen Geschichten, dass Tatsachen ausgeschmückt werden und die Realität verschönert wird. Und davon abgesehen — wie mein Vater zu sagen pflegte: »Ich weiß, dass es alles wahr ist, weil ich es selbst erfunden habe.«

    Sue Grafton

1

    Wie die meisten Anwälte bestätigen werden, bedeutet der lateinische Ausdruck pro bono grob übersetzt für Blödmänner und bezeichnet Arbeit, die man gratis macht. Nicht dass ich Juristin wäre, aber normalerweise bin ich so schlau, meine Dienste nicht zu verschenken. In diesem Fall lag mein Klient im Koma, was es knifflig machte, eine Rechnung zu stellen. Natürlich könnte man die Situation auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Hin und wieder taucht ein Element aus einer alten Geschichte auf, ein Punkt auf der Tagesordnung des Lebens, den man schon vor Jahren für abgehandelt hielt. Auf einmal steht er wieder ganz oben auf dem Blatt und ringt um Aufmerksamkeit, obwohl man ganz und gar nicht darauf vorbereitet ist.
    Zuerst kam ein Anruf von einem Fremden, und dann tauchte ein Brief auf, der vierzehn Jahre zuvor abgeschickt worden war. So erfuhr ich, dass ich ein krasses Fehlurteil gefällt hatte. Beim Versuch, es wieder gutzumachen, setzte ich schließlich mein Leben aufs Spiel.
    Ich hatte gerade einen großen Auftrag beendet und war nicht nur erschöpft, sondern besaß auch ein dickes Bankkonto, und so war ich nicht dazu aufgelegt, zusätzliche Arbeit anzunehmen. Ich hatte mir ein bisschen Urlaub ausgemalt, vielleicht eine Reise irgendwohin, wo es billig war, wo ich in der Sonne faulenzen und den neuen Krimi von Elmore Leonard lesen konnte, während ich einen Rum-Cocktail mit einem Papierschirmchen in einem Stück Obst schlürfte. Das war ungefähr der Horizont, bis zu dem sich meine Fantasien erstreckten.
    Der Anruf kam um acht Uhr morgens am Montag, den 19. Mai, während ich im Fitnessstudio war. Ich hatte wieder mit Krafttraining angefangen: Montag, Mittwoch und Freitagmorgen nach meinem Sechs-Uhr-Lauf. Ich weiß nicht, wo nach zweijähriger Unterbrechung die Motivation herkam, aber vermutlich hing es mit Gedanken an die Sterblichkeit zusammen, in erster Linie meine eigene. Im Frühling hatte ich eine langwierige Verletzung meiner rechten Hand erlitten, da mir ein Typ zwei Finger ausgerenkt hatte, um mich von seinem Standpunkt zu überzeugen. Ich war zuvor schon einmal verletzt
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