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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek
Autoren: Arnold Zweig
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großen und ausdrucksvollen Augen, einige Zeilen des Propheten Hosea abtastend, »soll ich anfangen?«
    »Fang an«, stimmte er zu, stieß den Federhalter durch den Hals des Fläschchens in die schwarzrötliche Schultinte und schrieb, mit durchaus nicht ungelenker Hand, in deutscher und deutlicher Schrift, Satz für Satz, wie er sauber und langsam von ihren blaßroten Lippen kam, in hamburgisch gefärbten Lauten und mit Schulmädchenstimme:
    »Hamburg-Wandsbek, Wagnerstraße 17, den 27.8.37.
    Lieber Volksgenosse und Kriegskamerad. Du hast schon lange nichts mehr von mir gehört, seit wir zusammen auf dem Floß den Njemen hinabtrieben und in Memel die Messinghülsen und Schmierbüchsen verkauften. Ich denke oft daran, was das für eine wilde und lustige Zeit war, und mein Harmonikaspiel Dir Spaß machte. Jetzt hab ich das Schifferklavier längst beiseite gelegt. Nach dem Tode meines Alten mußte ich die Fleischerei übernehmen, wie ich es ja gelernt hatte. Aber jetzt will es nicht mehr recht flecken. Die Lebensmittel von Ehape machen mich tot, seit die Filiale Wandsbeker Chaussee auch Fleisch- und Wurstwaren führt. Die Hausfrauen aus unserer Gegend brauchen mit dem Tram keine zehn Minuten. Sie sagen, die Auswahl ist größer und die Fahrt kommt wieder heraus. Da Du in Bürgerschaft und Senat etwas zu bestellen hast, kannst Du vielleicht veranlassen, daß sie in Wohnvierteln keine Fleischwaren feilhalten dürfen. Obwohl mein Sturmführer Preester nicht dieser Meinung ist, fasse ich doch die Absichten des Führers dahin zusammen, daß der kleine Mann auch leben soll. Lieber Kamerad, ich wäre Dir sehr dankbar, wenn ich Dich mal sprechen könnte, nachdem ich Dich noch niemals angegangen oder belästigt habe. Otto Lehmkes Bierstube, Wandsbek 8494, richtet mir jeden Anruf aus. In treuer Parteigenossenschaft, Heil Hitler, Dein Albert Teetjen, Schlächtermeister.«
    Teetjen betrachtete seine Unterschrift, der er einen energischen Schwung gegeben hatte, infolgedessen sie mit einem leichten Anstieg endete, trocknete die Feder an der Zeitung, überlas den Brief noch einmal und sagte bewundernd: »Wo du das nur her hast, Stine. Das redt ja wie ich selbst, aber besser.« Stine lachte: »Tja, Dummchen«, rief sie, indem sie ihm den schön geteilten Scheitel zauste, »unsere Schule in Blankenese hat halt was aus mir gemacht. Und warum hast du dich seit unserem Ausflug nach Farmsen am Sonntag gewehrt und gesträubt, erstens überhaupt zu schreiben und zweitens, wie ich es mir dachte?« – »Weil’s keinen Spaß macht, den reichen Reeder Footh anzubetteln. Denn darauf kommt es doch heraus. – Ein Geldschrank hackt dem anderen die Augen nicht aus in unserem neuen Reiche.« – Stine runzelte die rotblonden Brauen. »Anbetteln«, sagte sie strafend. »Einer hilft dem anderen. Im Weltkrieg halfst du ihm dreioder viermal aus dem Dreck. Das vergißt du bloß immer.« – »Tja«, murmelte Albert Teetjen, den Brief zusammenfaltend, »das war damals, inzwischen haben sich die Weichen umgestellt. Klettert mächtig nach oben, der Footh. Sucht und findet Anschluß. Hat ja auch so was Nettes um die Augen und den Mund. Wenn wir uns trafen, war er immer der anständige PG. Aber was weiß man, wie es jetzt in ihm aussieht. Wirtschaftsführer! Große Geschäfte! Seine Tankerflotte zählt schon fünf Schiffe. Manchmal im Hafen zeigen sie sie mir, und wenn ich dann sage, wir waren Kriegskameraden in Weißrußland und haben manches Ding zusammen gedreht, dann beglückwünschen sie mich: Alberten kann’s nicht schlecht gehen. Komm, Albert, gib mal was aus. Und dann soll ich eine Runde Köhm schmeißen oder dänischen Aquavit, wenn wir im Freihafen arbeiten. Bis jetzt hat er mich nur gekostet, der Kamerad Footh.« – »Paß auf, Albert«, damit setzte sich Stine neben ihn aufs Sofa, »diesmal bringt er uns Glück. Soll sich ja so manche Braut unter den Fräuleins vom Harvestehuder Weg angelacht haben. Und was einer hat, das bringt er auch anderen. Hier ist seine Adresse.« – Und sie reichte ihm einen grauleinenen Briefumschlag, auf dem von fremder Frauenhand in wohlgestalten Schriftzügen »Herrn Hans P. Footh, Hamburg-Roterbaum, Harvestehuder Weg« geschrieben stand. »Privatadresse«, strahltesie, »damit es nicht unter der Geschäftspost verschwindet.« – »Deern«, rief Albert bewundernd, »was haben wir doch für eine kluge Else.« – »Stine«, verbesserte sie die Redensart, die, wie sie wohl wußte, aus einem Grimmschen Hausmärchen
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