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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Daniel Dekkard
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wer vor ihm stand, dachte Leonard, stiegen hier nur selten Ausländer ab. Der Chinese schob ihm ein zerfleddertes Buch zu.
„Bitte schreiben hier, ja, ja.“
Leonard trug seinen Namen, Datum und die Passnummer in die letzte Zeile ein. Seine Schrift stach befremdlich hervor aus all dem übrigen Gekrakel. Wie vermutet, wohnten hier ausschließlich Chinesen. Oder hatten gewohnt. Den letzten Eintrag versah ein Datum, das über sieben Jahre zurücklag. Unglückliche Geschichten. Der Alte legte einen Zimmerschlüssel auf den Tresen. 301.
„Sie wegen Thaipusam kommen. Ja, ja.“
„Nein, ich ...“
Mit hypnotischer Kraft nahm das Schlüsselbord hinter dem Tresen Leonard gefangen. Obwohl es sich durch nichts von den anderen unterschied, leuchtete das Fach Nummer 300 wie eine Signalrakete. Die Augen des Alten folgten denen Leonards.
„300. Für andere Finney. Kommen morgen“, lachte er.
Seine Eltern wollten sich also auch hier einquartieren. Die Angst in der Stimme des Taxifahrers drängte sich Leonard auf. Es steckte sicher abergläubischer Unfug dahinter. Trotzdem mahnte es ihn zur Vorsicht.
„Entschuldigen Sie. Könnten Sie meinen Eltern ein anderes Zimmer geben?“
Der Chinese grinste, ohne eine Reaktion zu zeigen. Englisch verstand er noch schlechter, als er es sprach.
„Andere Finney. Anderes Zimmer“, sagte Leonard.
„Oh. Kein andere Zimmer. Thaipusam, ja, ja“, lautete die Antwort.
Noch einmal kontrollierte Leonard das Gästebuch. Mit einer raschen Bewegung zog der Alte es zu sich heran und verstaute es in einer Schublade.
„Alle voll.“
„Wu Ji“, sagte Leonard leise. Schlagartig veränderte sich der Gesichtsausdruck des Chinesen, als hätte Leonard ein Verbot übertreten. Seine Stimme klang hinterhältig.
„Was sagen?“
„Vergessen Sie´s“, wiegelte Leonard ab. „Sind die Zimmer gleich?“
Der Chinese nickte. „Ja, ja. Alle same-same. “
Nach tage- oder wochenlangem Geschaukel auf See wollten sich Martha und Evan wohl eine ruhige Nacht an Land gönnen. Egal, was an dem Zimmer faul war; sie sollten sich nicht damit rumschlagen. Er zeigte auf den Schlüssel 301, der vor ihm auf dem Tresen lag.
„Geben Sie dies meinen Eltern. Ich nehme die 300.“
    Mehr gab sein Gedächtnis nicht her. Er lag im Zimmer 300. Leonard starrte auf den rotierenden Propeller an der Decke. In einer Ecke knackte es. Durch eine Wand drang ein Ächzen, als litte jemand unter schwerer Atemnot. Nie war ihm außer dem Portier ein lebendes Wesen begegnet. Was verursachte dann diese Geräusche? Sie kamen nur nachts. Plötzlich sauste er in die Höhe.
„Mein Gott!“
Ein Schlaglicht fuhr grell bis in den hintersten Winkel seines Gehirns. Samstagnacht! Seit Tagen dämmerte er bereits in dieser schrecklichen Kammer! Und bislang kein Zeichen seiner Eltern. Sie hätten längst hier sein, ihn kontaktieren müssen. Ein lautes Ratschen erschreckte ihn. Dann wieder Stille. Es war hier drin, im Zimmer. Aber kein Gegenstand in diesem Raum konnte ein solches Geräusch erzeugen. Wieder der Ton, wie ein Messer, das über ein Metallgitter fuhr. Links von ihm. Ratsch. Unter dem Nachtschränkchen. Um darunter zu sehen, musste er aus dem Bett steigen und sich flach auf den Boden legen. Den Kopf zur Seite gedreht presste er die Wange auf die Fliesen und entdeckte unter dem Schränkchen das Ding, das diesen Ton verursachte. Ein Telefon. Anscheinend klemmte der Klingelmechanismus. Unaufhörlich gab der Apparat nur dieses Ratschen von sich. Warum versteckte man ihn unter dem Schrank?
Er zog das Telefon hervor und nahm den Hörer ab. Vielleicht seine Eltern. In der Leitung summte es.
„Hallo?“
Das Summen wurde von Knistern überlagert, wie winzige Füße über feinem Sand. Es raschelte wie etwas Insektenartiges, das in der Leitung herumkroch, sich mit tastenden Fühlern anschlich. Leonard überkam die Vorstellung, es könne herauskrabbeln und sich in seinem Ohr einnisten. Unwillkürlich streckte er die Hand mit dem Hörer vom Körper weg. Die Geräusche erstarben und er legte auf. Die dumpfe Stille sickerte wieder ein, nach dieser kurzen Unterbrechung noch beklemmender, feindselig. Erneut schnarrte der Apparat. Wie ein Stromschlag jagte der Ton durch Leonards Gehör. Dieses Mal meldete sich matt der alte Chinese von der Rezeption.
„Anruf, bitte, Mister Finney. Pathom. Pathom. Ich verbinden.“
Ein Summen folgte. Eine dünne Stimme. Unverständlich.
„Hallo? Wer ist da? Finney hier“, rief Leonard.
Dann knackte es
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