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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Daniel Dekkard
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Ansicht gelangen, das Betreffende sei bei Ihnen nicht in den richtigen Händen, öffnen Sie das letzte Paket auf keinen Fall! Trennen Sie sich davon! So schnell wie möglich! Sie werden verstehen, wenn Sie meine Nachricht gelesen haben. Im Frühjahr brach ich zu einer Forschungsreise nach Kalimantan auf. Ich erspare Ihnen die Einzelheiten des unglücklichen Verlaufs. Sie sind mir selbst immer noch schleierhaft.“
Diesem unglücklichen Verlauf zufolge wurde Korbmacher mit einem der einheimischen Führer vom Rest der Gruppe getrennt. Es gelang ihnen nicht, wieder zu ihren Kameraden zu stoßen. Sie verirrten sich in ein Gebiet, das Korbmachers Aussage nach auf keiner Karte verzeichnet war. Er erwähnte einen Berg, dessen Name nicht genannt werden durfte. Deshalb bezeichneten ihn die Dschungelbewohner nur als den „Unaussprechlichen“. Und dort geschah es.
„Wir trafen auf eine Gruppe Nomaden, einen mir bis dahin völlig unbekannten Stamm. Ich hätte mich freuen müssen, da diese Begegnung eine Sensation darstellte. Aber das Folgende lässt sich nur als geradezu grotesk beschreiben. Unter den Männern befand sich auch ihr Schamane. Eine furchterregende Gestalt mit hohlen Augen und einem entsetzlich zugerichteten Gesicht. Ich vermutete einen Unfall, aber die Wahrheit stellte sich als noch grausamer heraus. Der Schamane hatte sich selbst verstümmelt, um einem ihrer schrecklichen Götter zu ähneln. Und dieser Mann übergab mir „es“. Er sagte, es habe auf mich gewartet! Aber ich müsse es dem geben, dem es bestimmt sei. Unter keinen Umständen dürfe ich es selbst öffnen. Es sei pali für mich, tabu. Es würde mich töten. Und er sorgte dafür, dass ich seine Drohung ernst nahm. Oh, ja. Vor meinen Augen packten sie meinen indonesischen Führer, schnitten ihm bei lebendigem Leib die Leber heraus und zwangen mich ... Ich kann es kaum niederschreiben. Herrgott, vergib mir. Die fürchterlichen Schreie habe ich immer noch im Ohr. Ich habe seitdem kaum noch ein Auge zugetan, und wenn, schrecken mich die fürchterlichsten Albträume. Sie kommen aus dem Ding. Fragen Sie mich nicht, wie ich auf Sie verfallen bin. Vielleicht gab mir einer dieser grauenhaften Träume Ihren Namen ein. Ich weiß nur, ich bin gestern mitten in der Nacht mit Ihrem Namen auf den Lippen hochgefahren. Und ich wusste, was ich bereits wusste.“
Korbmachers weitere Ausführungen gerieten zunehmend verworrener und endeten mit einer fahrigen Entschuldigung, diese unerträgliche Bürd e an mich weitergegeben zu haben. Der düstere Ton des Schreibens erfüllte mich mit Sorge, und ich fürchtete um die geistige Verfassung des Mannes. Und dass das Erlebnis ihn über die Grenze des Ertragbaren gestoßen hatte. Auf der Stelle unternahm ich einen Versuch, den Hamburger Forscher zu kontaktieren, um mich über sein Befinden zu erkundigen, ihm, wenn nötig, Trost zu spenden. Doch manchmal raubte einem das Schicksal jede Möglichkeit zu handeln. Korbmacher hatte das Paket aufgegeben und sich unmittelbar danach, noch vor dem Postamt, vor einen Lastwagen geworfen. Ich hielt den Brief eines Toten in der Hand. Dies alles schreckte mich ab, das letzte Paket zu öffnen. Mein Herz hämmerte und noch einmal vernahm ich aus meinem Innern die Warnung: „Lass es!“
Aber die Neugierde besitzt eine mächtige, alles übertönende Stimme. Aufgeregt befreite ich die Gegenstände aus ihrem dritten Gefängnis. Nichts daran verriet, was den Unglücklichen in den Freitod gehetzt hatte. Das erste, eine Statuette, musste das Ding sein, von dem Korbmacher in seinem Brief gesprochen und das ihn mit Albträumen gequält hatte. Eine primitive Arbeit, aus grobem Holz geschnitzt, wie man sie bei allen Eingeborenenstämmen rund um den Globus fand. Eine Art Wächter oder Schutzgottheit, in sitzender Position dargestellt. Dunkle Glotzaugen, tief in das totenkopfartige Gesicht gebohrt, die Krallen zur Abwehr erhoben. Des Weiteren enthielt das Paket ein Büchlein mit goldenem Kreuz auf schwarzem Einband. Eine Bibel, wie ich irrtümlich annahm. Achtlos legte ich das Büchlein beiseite, weil mich der letzte Gegenstand aufs äußerste erregte.
Ich schätzte ihn auf zwanzig mal vierzig Zentimeter im Umfang. Ihn umhüllte ein zerrupftes Tierfell, von verwitterten Lederriemen zusammengehalten. Dem Bündel entströmte der muffige Geruch von verfaulendem Laub. Auf der Oberseite des Fells erkannte ich, eben noch lesbar, die Initiale L.F. Darunter, durchscheinend, schattenhaft, wie der tote
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