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Das Amerikanische Hospital

Titel: Das Amerikanische Hospital
Autoren: Michael Kleeberg
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Streifen auf den Schulterstücken bestand, einer schwarzen Krawatte, einem langärmligen, blassgrünen Hemd, einer Hose mit schwarzen Streifen und schwarzen polierten Schuhen. Das grüne, wie ein krakeliges Herz aussehende, orangefarben eingefasste Symbol in einem roten Kreis, das er auf den Schultern trug, war, was Hélène nicht wissen konnte, ein Taroblatt, das Erkennungszeichen der 38. motorisierten Infanteriedivision, das rote Stoffrechteck mit dem blauen Längsstrich in der Mitte und einem kleinen emaillierten V, das sich auf der linken Brustseite inmitten der anderen flaggenartigen Streifen befand, war, ebenso unentzifferbar für sie, ein Bronze Star mit Valor
Device, und die beiden silbernen Streifen wiesen ihn als Captain aus.
    Er fasste sich als Erster und fragte mit einer Stimme, von der er hoffte, dass sie erwartungsfreudig klang: Ist es schon da?
    Nein.
    Hat es nicht geklappt?
    Nein.
    Verzeihen Sie, habe ich etwas Falsches gesagt?
    Nein, sagte Hélène, aber ich habe nicht viel Zeit.
    Sind Sie mir böse wegen irgendetwas?
    Nein.
    Sie sind mir böse wegen der Uniform. Weil ich Ihnen nicht gesagt habe, dass ich Soldat bin.
    Sie sind ja nicht verpflichtet, mir Ihre Lebensgeschichte zu erzählen.
    Sie mögen keine Soldaten.
    Nein.
    Darf ich Sie trotzdem auf einen Kaffee einladen?
    Ich fürchte, ich habe wirklich keine Zeit.
    Sie mögen Soldaten nur in Gedichten, stimmt’s? Und ihr rotes Blut fließt, selbe Farbe, selbes Leuchten, bei dem, der an den Himmel wie bei dem, der nicht an den Himmel glaubte. Es fließt und fließt und vereint sich mit der Erde, die es geliebt hat, damit im nächsten Jahr eine Muskateller-Traube aus ihr wachse … Habe ich’s ungefähr richtig zitiert?
    Ziemlich genau, sagte Hélène entwaffnet.
    Sie kommen mir nicht aus, ohne meine Einladung anzunehmen, sagte er.
    Dann in einer halben Stunde in der Cafeteria, antwortete sie.

    Es stimmt schon, begann er, als sie sich ihm gegenübergesetzt hatte, ich hätte Ihnen gleich sagen sollen, dass ich Soldat bin.
    Ja.
    Man sollte das immer sofort sagen. So wie Aussätzige früher eine Pestklingel getragen haben. Damit die anständigen Menschen einen weiten Bogen schlagen konnten.
    Tut mir leid, wenn ich kurz angebunden war, sagte sie. Aber ich mag es nicht, angelogen zu werden, auch wenn das zu einer interessanten Unterhaltung geführt hat. Warum haben Sie mir erzählt, Sie hätten Literatur studiert, wenn Sie Soldat sind?
    Er sah sie ungläubig an. Aber ich habe Literatur studiert.
    So, so, neben dem Gewehrputzen?
    Ich meine es ernst, sagte er. Sie kennen sich offenbar nicht aus. Es gibt an zahlreichen unserer Colleges, auch am Boston College, wo ich war, ein sogenanntes ROTC-Programm, bei dem man sich neben seinem Studium, ganz gleich welchem, zum Offizier ausbilden lassen kann.
    So schnell wollte Hélène nicht zugeben, dass sie voreilig gewesen war. Wie darf man sich das vorstellen?, fragte sie spöttisch. Vormittags Naturlyrik und nachmittags Scheibenschießen?
    Was haben Sie gegen Soldaten?
    Ich habe nichts gegen Soldaten, aber alles gegen Krieg. Und vielleicht auch gegen das, was er aus den Soldaten macht. Und ohne Soldaten kein Krieg.
    Ohne Soldaten auch kein Frieden, sagte er.

    Das wäre zu diskutieren. Sie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Ich bringe das nicht zusammen. Warum wird ein kultivierter Mensch, ein Mensch, der Gedichte liebt, die Suche nach einem Ausdruck für Schönheit und Wahrheit, warum wird der Berufssoldat? Das ist so widersprüchlich, so absurd, so …
    So?
    So -, Hélène zögerte, ich weiß nicht. Ich dachte immer, Soldat wird man nur, wenn man gezogen wird oder weil man anders tickt als andere Menschen …
    Vielleicht tue ich das ja, sagte der Amerikaner und dachte nach. Wissen Sie, es ist ein altes Gewerbe, und wenn nicht das ehrbarste, dann eines der traditionsreichsten. Und manchmal ist der Soldat so weit nicht vom Dichter entfernt, wie Sie glauben. Denken Sie an Laclos, denken Sie an Churchill.
    Aber was sind Sie dann, ein Krieger mit einer Schwäche für die Literatur oder ein Literaturwissenschaftler in Uniform?
    Ich bin Captain der US-Army und habe einen MA in Literatur. Das eine aus Tradition, das andere aus Neigung.
    Aus Tradition? Der kriegerischen Tradition der USA, meinen Sie?
    Familientradition. Bei uns wird man Soldat vom Vater zum Sohn.
    Und was machen Sie dann in Paris? Wollen Sie uns besetzen? Wir sind nicht in der Nato, und wir führen keinen Krieg.
    Darf ich Ihrem Gedächtnis ein wenig
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