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Das Amerikanische Hospital

Titel: Das Amerikanische Hospital
Autoren: Michael Kleeberg
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beschäftigt, seit wir hier sind …
    Der Amerikaner trank den Rest seines Wassers aus. Sie sagten, Sie seien hier, um ein Kind zu bekommen. Unterbrechen Sie mich, wenn ich indiskret bin.
    Nein, es ist ja kein Geheimnis und keine Schande, sagte Hélène lachend. Wir versuchen eine künstliche Befruchtung, eine In-vitro-Befruchtung. Ich kann anders kein Kind bekommen. Sie sind hier darauf spezialisiert. Es ist vermutlich nicht sehr sexy als Methode, um Kinder zu machen, aber -, sie zögerte kurz und sagte dann auf Englisch: But there you are …
    Wie lange werden Sie denn bleiben?, fragte der Amerikaner. Ich würde mich sehr gerne weiter mit Ihnen unterhalten … Wissen Sie, als ich diesen kleinen Anfall hatte … Es hat mir sehr viel bedeutet, dass Sie sich da
um mich gekümmert haben. Es war in dem Moment sehr … hilfreich.
    Hélène sah ihn ernst an und nickte. Nun, eigentlich bin ich nur übermorgen noch einmal hier, wenn alles gut geht.
    Sie trank ihren Kaffee leer und fügte hinzu: Und dann natürlich noch einmal in neun Monaten.
    Der Amerikaner blickte hinaus in den Garten, wo die Sonne, die eben zwischen den Wolken hindurchgekommen war, den Reif auf den kahlen ziselierten Zweigen einer Magnolie zum Glitzern brachte.
    Ich muss zu meiner Untersuchung, sagte er und fügte im Aufstehen hinzu: Ich wünsche Ihnen alles Gute. Er reichte ihr die Hand. Ich danke Ihnen, für diesen Nachmittag und überhaupt. Alles Gute.
    Ihnen auch alles Gute, sagte Hélène, die ebenfalls aufgestanden war. Sie blickten einander an.
    Dann gingen sie, jeder aus einer anderen Tür der Cafeteria, davon, der Amerikaner an der Kasse vorbei in den Neubau, Hélène aus der Glastür in den Garten.
    Und so hatten sie einander bei diesem ersten Gespräch über Poesie und Lektüren gegenseitig angelogen, auch wenn es jeweils nur die harmlose Art von Lüge war, die aus der Unvollständigkeit von Informationen entsteht, die, in Gänze ausgesprochen, zu kompliziert oder missverständlich wären oder unerfreulich. Er, was seine Arbeit betraf, sie, was ihre Bekanntschaft mit den Gedichten Elizabeth Bishops anging.

B ei der ersten Konsultation hatte Dr. Le Goff ihnen eine Schwangerschafts-Wahrscheinlichkeit von zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent pro Embryo-Transfer in Aussicht gestellt und hinzugefügt, dass von diesen zwanzig Prozent wiederum zwanzig Prozent die Schwangerschaft verlieren. Das geschah Hélène.
    Zunächst war alles den bestmöglichen Gang gegangen: In den freigespülten Follikeln waren geeignete Eizellen gefunden, sodann im Nährmedium mit den gewaschenen Spermien zusammengebracht worden, und am nächsten Morgen wurde nachgeprüft, wie viele befruchtet waren. Es waren zwei gewesen. Das hatte Le Goff Hélène und ihrem Mann mitteilen lassen, bevor sie nach Hause fuhr, ebenso wie die amüsierte Bemerkung der MTA, ihr sei beim Swim-up aufgefallen, dass ihr Mann mit einem regelrechten sperme de course, einem »Rennsperma«, gesegnet sei. Da die befruchteten Eier sich am zweiten Tag zu Vierzellern entwickelt hatten, fand am frühen Abend der Transfer statt. Die beiden befruchteten Zellklumpen wurden Hélène mit dem Katheter eingesetzt, was nur wenige Sekunden dauerte. Le Goff sagte: Bitte einmal husten. Und dann: Bitte noch einmal husten. Dann war es geschehen.
    Am zweiten und am vierten Tag nach der Punktion setzte ihr Mann Hélène noch je eine intramuskuläre Injektion Predalon, dann begann die Wartezeit.

    Vierzehn Tage nach der Entnahme fand der erste Schwangerschaftstest aus dem Blut statt, und da der positiv war, folgte ein zweiter, um den HCG-Anstieg zu messen. Der HCG-Pegel verdoppelte sich innerhalb von achtundvierzig Stunden von einhundertfünfzig auf dreihundert i.u., sodass Hélène nach zwei weiteren Wochen zur ersten Ultraschalluntersuchung bestellt wurde, bei der Dr. Le Goff, wie erhofft, die Fruchthöhle und den Embryo erkennen konnte, beides allerdings auf dem wolkigen grauen Ultraschallbild unsichtbar für die Augen des Ehepaars.
    Le Goff nickte und sagte lächelnd, so weit laufe alles nach Plan und dass spätestens vier Wochen nach dem Schwangerschaftstest eine Herzreaktion erkennbar sein müsse.
    Zu diesem Termin fuhr Hélène schweigsam, und als nicht einmal die Scherze ihres Mannes über sein Rennsperma sie aufheitern konnten, und er sie fragte, was mit ihr sei, antwortete sie, dass etwas sich anders anfühle und sie nicht sicher sei, ob die Schwangerschaft noch bestehe.
    Diese Befürchtungen wurden von Le Goff
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