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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel
Autoren: Garth Nix
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fiel heftiger aus als beabsichtigt, und das kleine Mädchen flog durch die Luft. Schreiend stürzte es in den Fluss. Abhorsen sprang vorwärts und entzog das Mädchen rasch den Wasserfluten und zugleich Kerrigors gierigen Händen.
    Abhorsen trat zurück, zog das Silberglöckchen mit einer Hand und schwang es, dass es zweimal läutete. Kerrigor schrie auf und wand sich, als würde der seltsam gedämpfte und doch reine Klang ihm unerträgliche Schmerzen bereiten. Dann stürzte er in die Dunkelheit des Tores.
    »Irgendein Narr wird mich bald wieder zurückbringen, und dann…«, brüllte er, ehe er im Fluss versank. Das Wasser wirbelte und gurgelte. Dann strömte es ruhig und gleichmäßig weiter.
    Abhorsen starrte eine Zeit lang auf das Tor. Dann seufzte er, steckte das Glöckchen zurück in seinen Brustgurt und blickte auf das Mädchen in seinem Arm. Die Kleine schaute ihn mit dunklen Augen unverwandt an. Ihrer Haut war bereits alle Farbe entzogen. Voller Angst und Unruhe legte Abhorsen eine Hand über das Mal auf ihrer Stirn und spürte das Glühen ihres Geistes darunter. Das Charterzeichen hatte ihr Leben festgehalten, als der Fluss es ihr hätte entziehen müssen. Ihr Lebensgeist war es gewesen, der Kerrigor so zugesetzt hatte.
    Sie lächelte zu Abhorsen auf und gluckste leise. Er spürte, wie auch seine Mundwinkel sich zu einem leichten Lächeln verzogen. Immer noch lächelnd drehte er sich um und watete das lange Stück zu jener Pforte, durch die sie beide in ihre lebenden Körper zurückkehren konnten.
    Das kleine Mädchen wimmerte eine flüchtige Sekunde, ehe Abhorsen die Augen öffnete, so dass die Hebamme bereits halb um das erlöschende Feuer herum war, um das Kind hochzuheben. Frost knirschte auf dem Boden und kleine Eiszapfen hingen von Abhorsens Nase. Er wischte sie mit einem Ärmel weg und beugte sich über das Kind, wie jeder besorgte Vater nach einer Geburt.
    »Wie geht es der Kleinen?«, fragte er. Die Hebamme starrte ihn staunend an, denn das tote Kind war nun hörbar am Leben und so bleich wie er.
    »Offenbar geht es ihr gut, Herr«, antwortete die Hebamme, »aber vielleicht ist es ein wenig zu kalt für sie…«
    Abhorsen deutete auf das Feuer und murmelte ein Wort. Sofort schlugen die Flammen prasselnd in die Höhe. Der Frost schwand und Regentropfen wurden zischend zu Dampf.
    »Das genügt bis zum Morgen«, erklärte Abhorsen, »dann bringe ich sie zu meinem Haus. Ich werde eine Kinderschwester brauchen. Kommst du mit?«
    Die Hebamme zögerte und blickte zu Arrenil, dem Chartermagier, der noch auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers verharrte. Er wich ihren Blicken aus, und so schaute sie erneut auf das kleine Mädchen, das in ihren Armen weinte.
    »Ihr seid… Ihr seid ein…«, wisperte die Hebamme.
    »Ein Nekromant?«, half Abhorsen ihr auf die Sprünge. »Nur in gewisser Weise. Ich habe die Frau, die gestorben ist, geliebt. Sie wäre am Leben geblieben, hätte sie einen anderen gewählt, doch sie tat es nicht. Sabriel ist unser Kind. Kannst du die Ähnlichkeit nicht sehen?«
    Die Hebamme blickte ihn an, als er sich zu ihr beugte und ihr Sabriel abnahm, um sie an seiner Brust zu wiegen. Das kleine Mädchen beruhigte sich und war Augenblicke später eingeschlafen.
    »Ja«, sagte die Hebamme, »ich werde mit Euch kommen und mich um Sabriel kümmern. Aber Ihr müsst rasch eine Amme finden…«
    »Und noch vieles andere«, murmelte Abhorsen. »Doch mein Haus ist kein Ort für…«
    Der Chartermagier räusperte sich und kam um das Feuer herum.
    »Wenn Ihr jemanden sucht, der ein wenig von der Charter versteht«, sagte er zögernd, »würde ich Euch gerne dienen, denn ich habe gesehen, wie die Charter in Euch wirkt, Herr. Zwar verlasse ich ungern meinen Stamm, aber…«
    »Das ist vielleicht nicht nötig«, antwortete Abhorsen lächelnd, denn ihm war ein plötzlicher Gedanke gekommen. »Ich frage mich, ob eure Anführerin etwas dagegen hätte, würden sich zwei neue Mitglieder ihrem Stamm anschließen. Es gibt keine Gegend des Königreichs, die ich noch nicht durchwandert hätte, denn meine Arbeit zwingt mich, von einem Ort zum andern zu ziehen.«
    »Eure Arbeit?«, fragte Arrenil. Er schauderte leicht, obgleich es nicht mehr kalt war.
    »Ja«, erwiderte Abhorsen. »Ich bin ein Nekromant, doch nicht von der üblichen Art. Während die anderen Tote erwecken, lege ich sie zur ewigen Ruhe. Und jene, die nicht ruhen wollen, die binde ich – oder versuch’s. Ich bin Abhorsen…«
    Er blickte
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