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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel
Autoren: Garth Nix
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Versprechen gebrochen! Es war zwar nur ein Kaninchen, und Jacinth liebte das Tierchen sehr – aber wohin würde das führen? Von einem Tier zu einem Menschen war kein großer Schritt, wenn es ums Zurückholen ging.
    Und es war so einfach gewesen. Sabriel hatte den Geist direkt an der Quelle des Flusses gefasst und mit einer knappen Geste der Macht zurückgeholt. Den Körper hatte sie mit einfachen Chartersymbolen geflickt. Nicht einmal Glocken hatte sie benötigt; ebenso wenig die übrigen Hilfsmittel eines Nekromanten – bloß das schwache Pfeifen und ihren Willen.
    Der Tod – und was nach ihm kam – war kein großes Geheimnis für Sabriel. Doch sie wünschte, es wäre anders.
    Es waren die letzten drei Wochen in Sabriels letztem Schuljahr in Wyverley. Sie hatte bereits ihren Abschluss in der Tasche. In Englisch war sie die Beste gewesen, ebenso in Musik. In Mathematik hatte sie als Dritte abgeschnitten, in Wissenschaft als Siebente, in der Kunst des Kämpfens als Zweite und in Etikette als Vierte. Auch war sie überragend in Magie gewesen, doch das stand nicht im Zeugnis. Magie konnte man nur in jenen Gegenden Ancelstierres wirken, die sich dicht an der Grenze zum Alten Königreich befanden – eine Grenze, die durch eine Mauer markiert wurde. In weiter entfernten Gegenden betrachtete man die Magie als unbedeutend, falls man überhaupt daran glaubte; Leute, die etwas auf sich hielten, nahmen das Wort Magie nicht einmal in den Mund.
    Wyverley College befand sich lediglich vierzig Meilen von der Grenzmauer entfernt, besaß einen guten Ruf und bot den Schülerinnen eine umfassende Ausbildung. Und jene Mädchen, die eine Genehmigung ihrer Eltern vorlegen konnten, lehrte man hier auch Magie.
    Sabriels Vater hatte die Schule aus ebendiesem Grund ausgewählt, als er mit seiner fünfjährigen Tochter aus dem Alten Königreich gekommen war, um ein Internat für sie zu suchen.
    Damals hatte er das Schulgeld fürs erste Jahr mit Silberdeniers aus dem Alten Königreich bezahlt, denen die verstohlene Berührung mit kaltem Eisen nichts anzuhaben vermochte. Stets hatte er Sabriel zweimal im Jahr besucht, jedes Mal zu Mittsommer und Mittwinter. Immer war er mehrere Tage geblieben und hatte jedes Mal weiteres Silber mitgebracht.
    Die Schulleiterin war sehr von Sabriel angetan, schon deshalb, weil sie nie darüber klagte, dass sie ihren Vater so selten zu sehen bekam, wie die meisten anderen Mädchen es an ihrer Stelle getan hätten. Einmal hatte Mrs Umbrade Sabriel gefragt, ob sie darüber nicht traurig sei. Sabriels Antwort, dass sie den Vater viel öfter sah als nur zu den Zeiten, da er zu Besuch an die Schule kam, hatte Mrs Umbrade sehr beunruhigt, denn Magie war keines ihrer Fächer, und sie wollte auch nichts darüber wissen – bis auf die erfreuliche Tatsache, dass manche Eltern beachtliche Summen zahlten, damit ihre Töchter in den Grundkenntnissen der Magie und Zauberei unterrichtet wurden.
    Doch nähere Details, wie Sabriel ihren Vater zu sehen bekam, wollte Mrs Umbrade dann doch lieber nicht erfahren. Sabriel jedenfalls konnte die heimlichen Besuche kaum erwarten. Sie beobachtete den Mond und verfolgte seine Bahn in dem ledergebundenen Almanach, der die Mondphasen in beiden Königreichen zeigte und wertvolle Einblicke in die Jahreszeiten, Gezeiten und Stellungen der Gestirne gewährte, die an den beiden Seiten der Mauer niemals gleich waren. Abhorsen schickte sein Sendbild stets bei Neumond.
    In diesen Nächten schloss Sabriel sich in ihr Studierzimmer ein (ein Vorrecht der sechsten Klasse; zuvor hatte sie sich jedes Mal in die Bibliothek schleichen müssen), stellte den Kessel aufs Feuer, trank Tee und las ein Buch, bis der charakteristische Wind aufkam, der das Feuer und das elektrische Licht löschte und an den Fensterläden rüttelte – alles erforderliche Vorbereitungen, wie es schien, damit das phosphoreszierende Sendbild ihres Vaters in dem hölzernen Lehnstuhl erscheinen konnte.
    In diesem November erwartete Sabriel den Besuch ihres Vaters mit besonderer Aufregung: Da sie die Schule abgeschlossen hatte, wollte sie über ihre Zukunft mit ihm reden. Wäre es nach Mrs Umbrade gegangen, hätte Sabriel die Universität besucht; dann aber wäre sie noch weiter vom Alten Königreich entfernt gewesen. Ihre magischen Kräfte würden schwinden und die Besuche ihres Vaters wären auf körperliches Erscheinen beschränkt – was sich als noch seltener erweisen mochte als das Erscheinen seines Sendbildes. Andererseits
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