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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel
Autoren: Garth Nix
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nach. Sie hörte das Tosen des Ersten Tors plötzlich stärker werden, wie immer, wenn jemand hindurchgezogen wurde. Dann drehte sie sich um und watete zu einer Stelle zurück, von der aus sie leicht ins Leben zurückkehren konnte. Der Sack in ihrer Hand war schwer, und in ihrem Magen war ein drückendes, bleiernes Gefühl. Wenn der Bote wahrhaftig von Abhorsen kam, war ihr Vater nicht im Stande, ins Reich der Lebenden zu gelangen.
    Und das bedeutete, dass er entweder tot war oder von etwas gefangen gehalten wurde, das von jenseits des Letzten Tores kam.
     
    Wieder wurde Sabriel von Übelkeit übermannt und fiel bebend auf die Knie. Sie konnte die Hand der Magistrix auf ihrer Schulter spüren, doch ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Sack, den sie hielt. Sie brauchte nicht nachzuschauen, um zu wissen, dass das Wesen verschwunden war. Sein Erscheinen in der Welt der Lebenden hatte geendet, als sein Geist jenseits des Ersten Tors verschwand. Nur ein Häufchen Graberde blieb, das am Morgen weggefegt würde.
    »Was hast du getan?«, fragte die Magistrix, als Sabriel sich mit den Händen durchs Haar fuhr und Eiskristalle auf den Sack vor ihren Knien fielen.
    »Es hatte eine Botschaft für mich«, erwiderte sie, »die ich an mich genommen habe.«
    Sie öffnete den Sack und langte hinein. Sie spürte den Griff eines Schwertes, riss es mitsamt seiner Scheide heraus und legte es zur Seite. Sie brauchte es nicht herauszuziehen, um die Chartersymbole entlang der Klinge zu sehen. Der stumpfe Smaragd im Knauf und die abgegriffene, mit Bronze überzogene Parierstange waren ihr so vertraut wie das unansehnliche Besteck der Schule. Es war Abhorsens Schwert.
    Das Bandelier, das sie als Nächstes herauszog, war ein alter brauner, handbreiter Ledergurt, der stets leicht nach Bienenwachs roch. Sieben rohrförmige Lederbeutel hingen daran, angefangen mit einem, der die Größe eines kleinen Tablettenröhrchens besaß. Sie nahmen an Größe zu bis zum siebenten und letzten, der fast so groß war wie ein Krug ohne Henkel. Das Bandelier wurde so über der Brust getragen, dass die Beutel herunterhingen. Sabriel öffnete den kleinsten und zog ein winziges Silberglöckchen mit einem dunklen, offenbar auf Hochglanz polierten Mahagonigriff heraus. Sie hielt das Glöckchen ganz behutsam, doch der Klöppel bewegte sich trotzdem leicht, und ein hoher, süßer Ton war zu vernehmen, der im Gedächtnis haften blieb, selbst nachdem er verklungen war.
    »Vaters Instrumente«, wisperte Sabriel. »Das Werkzeug eines Nekromanten.«
    »Aber auf der Glocke – und dem Griff – sind Charterzeichen eingraviert!«, rief die Magistrix und starrte fasziniert darauf. »Nekromantie ist Freie Magie, die nicht von der Charter geleitet wird…«
    »Vaters Magie war anders«, entgegnete Sabriel geistesabwesend. Sie blickte immer noch auf das Glöckchen in ihrer Hand, wobei sie an die braunen Hände des Vaters dachte, wie er die Glocken hielt. »Bindend, nicht rufend. Er war ein getreuer Diener der Charter.«
    »Du wirst uns verlassen, nicht wahr?«, sagte die Magistrix, als Sabriel das Glöckchen wieder an den Gürtel hängte und aufstand, das Schwert in der einen, das Bandelier in der anderen Hand. »Es hat sich soeben in der Glocke gespiegelt. Du hast die Mauer überquert…«
    »Ja, die Mauer ins Alte Königreich«, erkannte Sabriel plötzlich. »Vater ist etwas zugestoßen… aber ich werde ihn finden… das schwöre ich bei der Charter in mir.«
    Sie berührte das Charterzeichen auf ihrer Stirn, das flüchtig glühte und dann so rasch verschwand, als hätte es nie existiert. Die Magistrix nickte und legte eine Hand auf die eigene Stirn, wo ein glühendes Mal abrupt sämtliche Zeichen ihres Alters verdeckte. Als es schwand, erklangen raschelnde Geräusche und ein schwaches Wimmern zu beiden Seiten des Schlafsaals.
    »Ich schließe die Tür und erkläre es den Mädchen«, versprach die Magistrix. »Geh du jetzt lieber und bereite dich auf morgen vor.«
    Sabriel nickte und entfernte sich. Sie versuchte, sich mit den Vorbereitungen für die Reise zu beschäftigen und nicht darüber nachzugrübeln, was ihrem Vater zugestoßen sein mochte. Sie würde so früh wie möglich ein Taxi nach Bain nehmen, der nächsten Stadt, und dann einen Bus bis zur Grenze von Ancelstierre, die sich gleich an der Mauer befand. Mit ein bisschen Glück würde sie am frühen Nachmittag dort sein…
    Trotzdem eilten ihre Gedanken während dieser Planungen immer wieder zu Abhorsen zurück. Was
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