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dark destiny

dark destiny

Titel: dark destiny
Autoren: Jennifer Benkau
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Neel abtransportierten, kaum noch im Halbdunkel zu erkennen. Ich konnte nur noch sehen, dass sie eine Decke über seinem Körper ausgebreitet hatten, und hoffte, dass sie den Nieselregen und den kalten Wind abhielt.
    Zwei Tage darauf - ich durfte inzwischen mein Zimmer verlassen, nicht aber das Haus - bat Matthial mich am späten Nachmittag, ihn aufs Dach zu begleiten. Er hatte Decken hochgebracht und auch seinen alten Schäferhund Rick die schmalen Stiegen hinaufgetragen, die er allein nicht mehr bewältigen konnte. Als wir uns beklommen mit etwas Abstand zueinander hinsetzten, legte sich Rick in unsere Mitte. Er war inzwischen beinahe blind und hörte von Tag zu Tag schlechter. Ich streichelte ihn, um meine schwitzenden Hände zu beschäftigen. Matthial blickte in den Wald, über dem sich der Himmel langsam dunkler färbte. Die Tage waren kurz geworden, und obwohl der Herbst erst begonnen hatte, mussten wir jetzt schon an Kerzen sparen. Die ganzen Geschehnisse der letzten Monate hatten die üblichen Vorbereitungen für den Winter in den Hintergrund rücken lassen. Mir war gleich aufgefallen, dass es uns an vielem fehlte. Der Winter würde hart werden. In mehrfacher Hinsicht.
    »Geht es dir etwas besser?«, fragte Matthial schließlich.
    Ich konnte ihm keine Antwort geben, weil ich es nicht wusste. Was ich mir so lange gewünscht hatte, war in Erfüllung gegangen. Ich war aus der Stadt entkommen - das kam der Freiheit schon sehr nahe. Die Percents schuldeten mir Respekt, denn ich hatte sie in ihrem eigenen Spiel geschlagen. Ich war Soldat gewesen und hatte einen Sieg im Kampf um mein Leben errungen. Aber ... »Der Preis war zu hoch.«
    Erst als Matthial langsam die Luft ausstieß, bemerkte ich, dass ich meinen letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte.
    »Du wirst darüber hinwegkommen«, sagte er. »Vielleicht nicht heute oder morgen, aber ich gebe dir alle Zeit, die du brauchst.«
    Mein Blick klebte auf seinem alten, treuen Hund. Ich versuchte, Matthials Worte nicht an mich heranzulassen. Ich war immer noch so wütend auf ihn, so maßlos enttäuscht. Aber auch wenn ich mich sträubte, begriff ich, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Ich wusste noch genau, wie lange es gedauert hatte, bis ich das erste Mal mit Neel geredet und in ihm mehr als einen gesichtslosen Feind gesehen hatte, den es zu vernichten galt. Es waren Wochen vergangen, bis ich erkannt hatte, dass er Gefühle zeigte. Den unseren gar nicht so unähnlich.
    Konnte ich Matthial dafür verurteilen, dass ihm dies nicht innerhalb weniger Tage gelang? Ich tat es, zweifelsfrei. Ich verachtete ihn mit Leib und Seele und mit einer Intensität, die mir fremd war. Doch der vernünftige Teil von mir wusste genau, dass das unsinnig war. An Matthials Stelle, ohne meine Erfahrungen, hätte ich vielleicht dasselbe getan. Und für diese Einsicht verachtete ich mich selbst.
    »Irgendwann«, fuhr Matthial fort, »wirst du verstehen, dass ich das Richtige getan habe. Auch wenn ...«
    Ich sah auf, weil er nicht weitersprach. »Auch wenn was?«
    Rick legte seinen Kopf in meinen Schoß, ich strich ihm mechanisch über die Ohren. Er sabberte ein wenig vor Entspannung, sein Speichel tränkte meine Hose.
    Matthial sah in die Ferne, die Augen leicht zusammengekniffen, als würde er etwas beobachten, was sich mir nicht zeigte. Einen Vogel in den Ästen? Matthial hatte schon immer bessere Augen gehabt als ich. Warum nur war er blind für die Wahrheit?
    »Mein Plan ist nicht aufgegangen«, erwiderte er, ohne den Blick abzuwenden. »Der Percent... Neel... hat es nicht geschaht.«
    Ich begriff nicht. Das Dach schien ein wenig zu schwanken. Was sollte Neel nicht geschafft haben? Hatte er versucht zu entkommen, und ...
    »Matthial?« Ich spürte ein Grinsen in meinem Gesicht, ein falsches, saures Grinsen.
    »Vielleicht ist es besser so. Sie hätten ihn doch ohnehin nicht mehr in ihrer Mitte akzeptiert. Vermutlich hätten sie ihn -« »Matthial!« Ich keuchte. »Was ist mit Neel?« »Er ... es tut mir leid für dich. Er ist tot.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein.« Das Grinsen wurde immer ätzender, mein Gesicht verkrampfte sich, aber ich bekam es nicht fort. Tot? Neel war nicht tot, das war doch absurd. »Du lügst. Es geht ihm gut.« Mit beiden Händen fuhr ich mir übers Gesicht und wischte echte Tränen über das falsche Grinsen.
    »Ich sage die Wahrheit. Ich weiß selbst nicht, was passiert ist. Vielleicht hat er versucht zu fliehen und sie haben ihn ... Vielleicht waren
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