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dark destiny

dark destiny

Titel: dark destiny
Autoren: Jennifer Benkau
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Seite fluchte und hinter mir jubelte jemand auf. Ich verstand nur zwei Worte der Richterin klar und deutlich.
    »Nicht schuldig.«
    Plötzlich stand ich umringt von Menschen und Percents, die mir auf die Schulter klopften und gratulierten. Die Richterin lächelte erst mir zu und dann Higgs. Ich griff zur Seite, fasste ihn am Arm und sagte: »Ich habe es dir doch gesagt! Glaubst du mir jetzt endlich? Ich habe es die ganze Zeit gewusst.« Ich zitterte vor Erleichterung, was meine Worte Lügen strafte und bewies, wie unsicher ich mir gewesen war. Nichts hatte ich gewusst.
    Nicht schuldig. Die beiden Worte klangen wie ein Echo in meinem Kopf nach. Die Richterin hatte Higgs freigesprochen, woran niemand geglaubt hatte. Er schien es kaum zu begreifen.
    »Darf ich gehen?«, fragte er mich in seiner Sprache - in meiner Muttersprache - und eine Gänsehaut überzog meine Haut, als ich sah, dass Tränen in seinen steingrauen Augen standen. »Darf ich jetzt nach Hause gehen? Und wieder in der Werft arbeiten?«
    »Du bist frei«, antwortete ich und wandte dem gegnerischen Anwalt, der schimpfend an uns vorbeiging, den Rücken zu. Er musste vor Wut kochen, von einer Lehrerin und Übersetzerin auf seinem persönlichen Lieblingsschlachtfeld, im Gerichtssaal, geschlagen worden zu sein. Aber er wusste ja auch nicht, wer ich wirklich war. Früher war ich Soldat gewesen, und immer wenn es darauf ankam, erinnerte ich mich daran und kämpfte.
    »Wir sollten feiern«, meinte Higgs. Wie es seine Art war, entschied er nichts, sondern äußerte eher eine schüchterne Bitte, fast klang sie wie eine Frage.
    Ich nickte und er grinste vor Freude so breit, dass ich seine Zahnlücken sah. »Am Hafen? Feierst du meinen Freispruch mit mir am Hafen? Ich muss endlich wieder das Meer sehen. Und die Schiffe.«
    Ich lächelte, aber ich senkte den Blick. »Woanders gern«, erwiderte ich so leise, dass ein Mensch mich nicht verstanden hätte, aber ein Percent sehr wohl. »Zum Meer möchte ich nicht.«
    Er rückte so nah an mich heran, dass die Außenseiten unserer Oberschenkel sich berührten. Ein tröstliches Gefühl. »Schlimme Erinnerungen?«
    »Keine schlimmen.« Aber Erinnerungen, das ja. Und Sehnsüchte. Hoffnungen.
    Ich ging nicht länger zum Meer, seit Jahren nicht mehr, auch wenn ich in Küstennähe wohnte, weil ich die frische Seeluft so liebte. Ich glaubte, dort ständig etwas zwischen den Wellen zu erkennen, das beim genaueren Hinsehen nicht da war.
    Ich ertrug das Warten nicht. Doch sobald wir eine bessere Welt geschaffen hatten, würde sie zurückkommen.
    Die Dark Destiny.

dreieinhalb jahre zuvor,
    ende des jahres 40 nach der übernahme.

I
    ich bin nicht stark.
    ich habe das aufgeben nie gelernt.

    Es kann Menschen in den Wahnsinn treiben, nie einen Moment Stille zu finden, wenn sie sich danach sehnen, doch nicht viel besser ist es, verzweifelt auf ein Geräusch zu warten. Auf ein Lebenszeichen, zum Beispiel. Ein Lebenszeichen, das nicht kommt.
    Was bedeutet es, wenn man jemanden über Stunden und Tage nicht hört, obwohl man sicher ist, dass er nicht fort sein kann? Mir fiel nur eine Möglichkeit ein. Zu entsetzlich, um den Gedanken zuzulassen.
    In meinem Schädel dröhnte es. Die Haut an meinen Wangen und Ohren war wund, weil ich mein Gesicht seit Stunden gegen die schimmeldurchzogenen Wände presste, um keinen Laut im Coca-Cola-Haus zu verpassen. Füße scharrten, Stimmen hoben und senkten sich, der Hund bellte und hin und wieder schnaubte ein Pferd. Unter metallischem Klappern wurden blecherne Teller gestapelt, und dass irgendwer einem Tier das Fell abzog und es reinigte, erkannte ich an dem Schaben, erst schmatzend, dann Zug um Zug trockener werdend. Jemand sang ein schwermütiges Lied, vermutlich Kendra. Möbel wurden gerückt.
    So viele Geräusche. Der Laut, den ich brauchte, um das Chaos in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen, war jedoch nicht darunter.
    Kein Lebenszeichen von Neel. Niemand nannte auch nur seinen Namen, und wenn ich nach ihm fragte, wollte man mir keine Antwort geben.
    In meinem Herzen war es still und ebenso still war es in meiner Kammer. Still, weil ich das Schreien in mir erstickte, ehe es mir über die Lippen kam. Die Angst vor dem Unaussprechlichen, das vielleicht geschehen war, zerquetschte meine Gedanken, ehe ich Worte daraus formen konnte.
    Ich kam gegen diese Stille nicht an, auch wenn ich versuchte zu sprechen. Sprachlos, das war ich. Eine lähmende Verzweiflung beherrschte mich und verbot mir, den Mund zu
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