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Daniel und Ismael

Daniel und Ismael

Titel: Daniel und Ismael
Autoren: J. Walther
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verliebt«, sagt Jen leise.
    »Ich weiß. Wer wäre das nicht gewesen.«
    Jen bedenkt mich mit einem Seitenblick. »Du wusstest es?«
    »Ich kenne dich gut.« Alle anderen dachten, Jen ziehe bei Rob nur ihre übliche Masche ab. Sie flirtete mit Leichtigkeit, ließ Nähe zu, zog sich zurück. Sie konnte einfach nicht anders. Sie wusste bis dahin nicht, wie es ist, verletzlich zu sein. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass Rob nicht in ihrem Netz zappelte, dass er nicht so einfach einzufangen war. Dass er mehr verlangte als Jens Charme.
    Sie kennt mich auch gut. Es ist ihr nicht entgangen, wie fasziniert auch ich von Rob war. Doch Jen nahm mich als Konkurrent nicht ernst, so wie immer. Obwohl ich mit ihr, wenn auch dezent, um Robs Gunst wetteiferte.
    Das weiße Dreieck eines späten Seglers zieht weit hinten über den See, verschwindet hinter der Insel. Jen legt den Kopf an meine Schulter. »Glaubst du, er kommt nächsten Sommer wieder?«
    »Er wird wiederkommen. Er hat sich verliebt.«
    Sie fährt hoch. »Hat er dir das gesagt?«
    Die Aufregung in Jens Stimme sagt mir, wie schwierig das hier wird. Ich nehme meine Hand von ihrer Taille, rücke ein winziges Stück ab.
    »Ja«, ich schließe die Augen, »als wir auf der Insel miteinander schliefen.« Nackt, heftig atmend vom Schwimmen, Wassertropfen auf der kühlen Haut, Grasbett tief zwischen den Bäumen, die Sonne fast untergegangen. Die kleinste Berührung von ihm ließ mich beben. Ich hatte Angst, seine Schreie würden über den ganzen See schallen.
    Ein einsamer Angler rudert vorbei, gibt uns Gelegenheit zu schweigen. Ohne Blick, ohne Berührung, beide erstarrt.
    Ich wollte nicht, dass Jen es erfährt, darum bat ich Rob. Ich hatte Angst, sie würde mir trotz unserer Abmachung nicht verzeihen. Angst, dass unsere Freundschaft nicht mehr dieselbe wäre. Es nicht zählte, dass sie mir schon manchen Jungen weggeschnappt hat, der mir gefiel.
    »So ist das also.« Jen steht langsam auf. Sie zieht ihr Shirt über den Kopf, sie hat nichts darunter. Ihre gebräunten Beine spannen sich, dann springt sie ab, ihr schlanker Körper taucht kopfüber ins Wasser ein.  
    »Jen!«
    Sie taucht wieder auf. »Wer als erster bei der Insel ist.«
    »Jen, es tut mir leid!«
    »Du verlierst Zeit, Julian!«
    Sie schwimmt in einem Bogen unter dem Steg hindurch und dann mit kraftvollen Bewegungen Richtung Insel. Ich zerre mir das Shirt über den Kopf, lasse meine Hose fallen. Springe ihr hinterher, bei meinem Ehrgeiz gepackt. Das Wasser ist kühl, doch bald wird mir unter meinen energischen Schwimmzügen warm. Das Wasser fühlt sich herrlich an, der See gehört uns. Wir zerteilen die ruhige Wasseroberfläche.
    Ich bin Jen näher gekommen, sie schwimmt nur einige Längen vor mir. Doch so sehr ich mich anstrenge, ich hole sie nicht ein. Sie blickt sich um, lacht befreit. Der Sommer ist noch einmal zurückgekehrt. Sie erreicht das Ufer der Insel einige Züge vor mir. Ich steige schwer atmend an Land.
    »Du hast gewonnen, Julian«, sagt sie mit einer Spur Resignation in der Stimme. Sie zieht ihre klatschnassen Shorts aus und legt sich auf den Rücken. Ich beginne zu frösteln, ziehe meine nasse Unterhose aus, lege mich neben Jen. Sie stützt sich auf die Arme, schaut über den See. Mein Blick gleitet über ihren Körper. Zwischen ihre straffen braunen Schenkel fügt sich ein perfekt abgegrenztes schwarzes Dreieck ein.
    »Nach dem Sommer ist alles vergessen, so ist die Regel«, fange ich zaghaft an.
    »Aber das hier ist kein Spiel mehr.«
    »Nein«, ich versuche unauffällig näher neben sie zu rutschen. »Wenn Rob nächsten Sommer zurückkehrt, kommst du dann mit uns mit? Hier weg?«
    »Wieso? Mir gefällt es hier!«, antwortet sie trotzig.
    »Nicht im Winter. Nicht ohne mich.«
    Ich schließe die Augen, sehe einen einsamen, grauen Winter vor mir. Ohne Jen. Genug Zeit, um zu lernen, Prüfungen zu machen. Genug Zeit, um sie beide zu vermissen. Ich zittere. Ein Sonnenstrahl dringt orange durch meine Lider. Rob sitzt am Steuer, fährt die Landstraße entlang. Ich betrachte ihn, seine Haare flattern im Wind, er hat seine Sonnenbrille nach oben geschoben.
    Wir halten vor Jens Haus. Rob hupt. Nichts rührt sich. Wir warten. Wir legen die Füße hoch. Eine alte Frau starrt uns an. Ich lege die Hand in Robs Nacken, und sie schaut weg. Dann kommt Jen aus dem Haus. Sie setzt ihre große Sonnenbrille auf und überquert schwungvoll die Straße. Sie klettert in die Lücke hinter unseren Sitzen. Rob düst los.
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