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Daniel und Ismael

Daniel und Ismael

Titel: Daniel und Ismael
Autoren: J. Walther
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was passiert ist.'
    In mir beginnt es langsam aber stetig zu kochen. Am liebsten würde ich laut schreien, aber ich beherrsche mich. Statt dessen sage ich ganz ruhig und mit einem verbindlichen Lächeln: “Aber er war gut im Bett!”, drehe mich um und gehe langsam weg.

 
    The Boys of summer
     
    Die Dorfstraßen sind verlassen. Ich gehe über den brüchigen Asphalt hinunter zum Wasser. Der See liegt einsam und ruhig vor mir. Die Sonne strahlt, aber der Wind weht schon kühl. Die Bäume haben die ersten Herbstfarben angenommen, sie spiegeln sich zusammen mit üppigen Wolken im Wasser. Der Sommer ist vorbei, weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Ich überblicke die Strandpromenade, die Liegewiese und den schmalen Sandstreifen am Ufer. Weiter rechts stehen Bäume, dahinter versteckt sich der Segelverein. Links beschreibt die Uferlinie eine Kurve, der Strand geht in Schilf und Weiden über.
    Ich gehe auf der Promenade entlang. Nach dem Sommer , wenn alles entvölkert ist, kommt der marode Charme der Anlage wieder zum Vorschein, zersprungene Pflastersteine , Betonpapierkörbe, Laternen mit Blechhüten, Birken, Bänke mit rissigen Latten.
    Ich stecke die Hände in die Taschen meiner Hose. Helle Leinenhosen, ein quergestreiftes enges Shirt. Ich hoffe, dass es meinen Oberkörper breiter aussehen lässt. W enn man als Jugendlicher in so einem weltabgeschiedene n , sandumspülten Dorf lebt, muss man ein wenig auf Stil achten. Schließlich will man sich nicht unbedingt dem allgemeinen Niveau anpassen.
    Im Sommer vergisst man manchmal, dass es ein solches Nest ist. Camper kommen an den See, viele fürs Wochenende, Jugendliche auch länger. Ausflügler und Wassersportler bevölkern ihn den ganzen Sommer über. Es gibt Imbissbuden, eine Strandbar, bunte Wasserrutschen, Jugendliche auf den Straßen, Leben und Musik in warmen Sommernächten. Das alles  nimmt der Sommer mit, wenn er geht, und zurück bleibt das,  was es immer war, ein trostloses Kaff.
    Ich wende mich abwärts, gehe über die Liegewiese Richtung Wasser. Zwischen den Weiden am Ufer befindet sich ein alter Steg, halb vom Schilf eingeschlossen. Am äußersten Ende sitzt eine Gestalt und blickt aufs Wasser. Ich bleibe stehen. Es gibt nur einen Menschen, der am Ende des Sommers noch hier sitzt. Jen hat die Beine an den Körper gezogen. Sie trägt Shorts und ein langärmliges Shirt. Ihr brauner Bob, kräftiges glänzendes Haar, fällt nach vorne. Sie erinnert mich immer an eines dieser schwarzweißen 80er-Jahre-Videos. Ich wusste, dass sie hier ist. Ich trete näher.
    »Hallo Julian«, sagt sie, ohne sich umzudrehen. Ich setze mich seitwärts auf den Steg und lasse die Beine baumeln.
    »Der Sommer ist gegangen«, stellt Jen nach einer Weile fest.
    »Ja.«
    »Ist alles wieder wie immer?«, fragt sie vorsichtig.
    »Wieso nicht?«
    Von irgendwo oben hinter den Bäumen wird Musik herübergeweht. Ein alter Song »… summer ’ s out of reach …« , ich mag den treibenden Beat, »… I can tell you, my love for you will still be strong, after the boys of summer have gone «.
    »Nach dem Sommer ist immer alles vergessen, so sind die Regeln«, erinnere ich sie.
    »Du verzeihst mir?«
    »Wieso fragst du, es war immer so. Du mir und ich dir.«
    » Don’t look back. You can never look back …«
    »Ist ein schlechtes Geschäft für dich.« Jen dreht den Kopf und schaut mich an. Ich zucke die Schultern und betrachte Jens klassisches Profil. Sie hat etwas Erlesenes, sprüht vor Schönheit und Esprit. Sie muss auffallen in diesem Kaff. Ich bin unauffälliger, besser getarnt. Zusammen sind wir das aufsehenerregendste und  schillerndste Pärchen am See.
    Ich lächle Jen an: »Dieser Lars war ja verrückt nach dir.« Was für eine rhetorische Feststellung, alle Jungen sind verrückt nach Jen. So lange ich mich erinnern kann, war jeden Sommer eine ganze Herde von Jungen hinter Jen her. Selbst die Dümmsten erkennen noch, wie exquisit sie ist. Und natürlich war Lars verrückt nach ihr, weil Jen ihn verrückt nach sich gemacht hat. Ein attraktiver Kerl, dieser Lars, nur nicht der Allerhellste.
    »Was du mit ihm gemacht hast, war ganz schön hinterhältig, Julian.«
    »Du kannst mir nicht erzählen, dass es dir keinen Spaß gemacht hat.«
    Ja, eine Aktion ganz nach Jens Geschmack. Jen, die mit Lars hinter dem Bootshaus knutscht. Mir einen Blick zuwirft, als ich um die Ecke komme. Lars ist gerade mit ihrem Hals beschäftigt und versucht, eine Hand unter ihr Sommerkleid zu
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