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Daniel und Ismael

Daniel und Ismael

Titel: Daniel und Ismael
Autoren: J. Walther
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er trifft. Ich weiß nur, dass er alle Möglichkeiten hat. Dass er nicht zu Hause sitzen und versauern muss.
    Aus dem Fernseher dringen jetzt nur noch Klingeltöne und ich stelle ihn wieder aus. Jen springt auf und macht sämtliche Lampen im Zimmer an. Draußen ist es duster geworden, obwohl noch Nachmittag ist.
    “Ich will Sommer!” Jen dreht die Heizung bis zum Anschlag auf. Luft strömt zischend durch die Rohre. Sie zerrt sich ihren Pullover über den Kopf, entledigt sich Hose und Socken. Dann wühlt sie in ihrem Kleiderschrank. Der schwarze Slip, den sie trägt, bringt ihren kleinen festen Hintern zur Geltung. Sie schlüpft in Hotpants und ein sonnengelbes Top.
    “Besser!”, strahlt sie und setzt sich aufs Bett. Ihr Top betont die Reste ihrer sommerlichen Bräune.
    “Was ist mit dir?”
    Gehorsam ziehe ich mir den Pullover über den Kopf. Jen beugt sich über mich, wühlt in einer Schublade und zieht ein Fläschchen heraus. Sie beginnt, sich ihre Fußnägel knallrot anzumalen.
    “Kann ich deine auch lackieren?”, fragt sie, als sie fertig ist.
    “Alles, was du willst.”
    Sie schraubt das Fläschchen zu. Dann streckt sie ihre Füße aus und betrachtet sie zufrieden.
    “Ich glaube, ich bewerbe mich doch bei der Schauspielschule.”
    “Die Frist ist bestimmt schon abgelaufen, Jen.”
    “Egal. Dann im nächsten Jahr. Ich kann unterdessen kellnern. Ich krieg’ viele Trinkgelder.”
    “So lange du nicht in einer Schwulenbar arbeitest ...”
    “Ach, selbst da hätte ich ein paar Verehrer, oder nicht?”
    Sie dreht sich zu mir und legt eine Hand auf meinen Bauch. Wir sehen uns an.
    “Oder, Julian?”
    Ich nicke. Aber ich weiß nicht, wie viele Verehrer Jen in der Stadt wirklich noch hätte. Wenn sie nicht mehr das schönste Mädchen am See ist, das aufregendste Mädchen des Sommers. Wenn sie nur noch eine von vielen ist.
    Jen beugt sich vor und küsst mich mit ihren weichen Lippen. Wir küssen uns ganz langsam, knabbern, lecken. Ich streichle ihren nackten Rücken. Jens Hand schiebt sich in meine Hose.
    “Lass das.” Ich halte ihre Hand fest. Ich hoffe, sie merkt nicht, dass ich einen Steifen habe. Das letzte Mal mit Rob ist einfach so verdammt lange her.
    Jen sieht mich an, ernster und irritierter, als ich das von ihr kenne. Dann dreht sie sich weg, kehrt mir den Rücken zu. Nach einer Weile sagt sie: “Weißt du, ich könnte mir ein WG-Zimmer suchen.”
    “Allein?”
    “Rob will bestimmt, dass du zu ihm ziehst.”
    “Wenn er überhaupt noch etwas von mir will.”
    Jen dreht sich langsam zu mir um. Ich sehe sie nicht an.
    “Er wird im Sommer wiederkommen, er hat sich verliebt. Hast du doch gesagt”, flüstert Jen.
    “Aber jetzt ist Winter.”
    “Egal, ich werde ihn dir sowieso wegschnappen.”
    Ich muss lachen. Jen lacht nicht. Sie steht auf: “Vergiss den Winter.” Sie holt einen Ventilator aus dem Schrank und stellt ihn neben das Bett. Die Heizung hat den kleinen Raum kräftig aufgeheizt und jetzt weht ein kühles Lüftchen. Jen legt sich neben mich.
    “Schließ die Augen.”
    Ich tue es, und Jens Maßnahmen lassen mich vom Sommer träumen, von warmen Sonnenstrahlen, Strand und einem lauen Wind. Vom Sommer am See. Den ich vermissen werde. Nur ihn. Wenn ich in der Stadt zwischen den aufgeheizten Mauern und dem Staub schwitze, fern von Wasser und Bäumen und blauem Himmel, über den wattige Wolken segeln.
    Den Rest hier werde ich nicht vermissen, vor allem nicht den Winter. Die leeren Straßen, das geschlossene Café, die Trostlosigkeit.
    Jen kuschelt sich an mich. “Julian? Was hältst du von Palmen und Meer an den Wänden, Liegestühlen und Luftmatratzen, Sand auf dem Fußboden?”
    “Kitschig Jen, einfach kitschig”, ich lege einen Arm um sie, “Ich glaube, ich finde das mit der Dachwohnung, dem Bambus und den Möbeln vom Sperrmüll am Besten.”
    Jen sagt eine Weile nichts. Ihre Hand fährt beiläufig an meinem Hosenbund entlang. “Montag haben wir doch keine wichtigen Fächer.”
    “Nein.”
    “Lass uns hinfahren und schon mal nach einer Wohnung suchen. Zwischendurch ist auch noch Zeit um ...” Sie spricht den Satz nicht zu Ende.
    Es ist eine verrückte Idee. Eine richtige Jen-Idee. Diese Wohnung ist nur ein Traum, eine Sicherheit für unsere Freundschaft, eine Ahnung von dem Leben, das vor uns liegt.
    Es ist noch viel zu früh, eine Wohnung zu suchen. Wir wissen noch nicht einmal, wo wir Studienplätze bekommen. Naja, ich will nirgends anders hin. Wenn er nur will.
    “Gut,
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