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Daniel und Ismael

Daniel und Ismael

Titel: Daniel und Ismael
Autoren: J. Walther
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Hosentaschen, aber ich wage es nicht, ihn zu berühren, ja nicht einmal, ihn anzusehen.
    Ryan streckt die Arme aus und zieht mich an sich. So heftig, dass ich mich an der Wand hinter ihm abstützen muss. Als ich mich gefangen habe, lege ich die Arme um ihn. Es fühlt sich so gut an, von ihm gehalten zu werden, seine Wärme und Kraft zu spüren, wie noch nichts in meinem Leben. Dann küsst er meinen Hals, saugt sich fest, und ehe ich mich versehe, atme ich schwer.
    “Zu mir oder zu dir?”, flüstert er an meinem Ohr.
    “Wenn du eine eigene Bude hast, zu dir.” Ich überlege nicht eine Sekunde.

Als wir fertig sind - völlig fertig -, angelt Ryan ein Paket Zigaretten unterm Bett hervor.
    “Willst du auch eine?”
    “Nein, ich rauche nicht.”
    Er legt sich hin, eine Hand hinterm Kopf verschränkt und nimmt einen tiefen Zug. Das schwarze Make-up um seine Augen ist ein bisschen verwischt.
    “Was bist du für ein komischer Typ, hm? Läufst rum wie ein Chorknabe, aber springst in Null Komma nichts mit dem schrägsten Typen der Stadt ins Bett.”
    “Ich bin Chorknabe, unter anderem.” Ich nehme ihm die Kippe  aus der Hand und ziehe dran, mein Blick folgt den Rauchkringeln Richtung Decke.
    Ryans lange Finger mit den schwarzlackierten Nägeln nehmen mir die Kippe ab.
    “Der letzte Sex war bei dir aber auch schon eine Weile her, oder?”
    Ich bekenne Farbe: “Ich hatte noch nie Sex.“
    Ryan schaut mich erstaunt an. “Wieso hast du das nicht gesagt?”
    “Weshalb?”
    “Ich hätte mir …”
    “Zeit gelassen?”, ich grinse, “war schon okay.” Ich nehme noch einen Zug.
    Ryan stützt sich auf und schaut mich forschend an, während er die Zigarette bis zum Filter aufraucht. “Wollen wir uns mal wieder treffen?”
    Ich nicke langsam.
    “Nächste Woche? Selber Ort, selbe Zeit, selbe Tätigkeit?”
    “Ja.”
    Und wir treffen uns jede Woche, nur einmal in der Woche, selbe Zeit, selbe Tätigkeit. Den Rest der Woche tue ich das, was ich immer tue. Doch manchmal, ganz plötzlich, in der letzten Reihe des Kirchenchors, fällt mir eine Szene mit Ryan ein, seine Hände mit den glänzenden schwarzen Nägeln überall auf meinem Körper, sein Mund, das Geräusch wenn er kommt. Und ich habe Mühe mir nichts anmerken zu lassen, mitten im Kirchenchor.

3
    Es ist Winter geworden, als ich auf meinem Heimweg von der Probe des Kirchenchors am Linkentreff vorbeikomme. Ja, so etwas gibt es in unserer Stadt, wird auch nur alle drei Monate von Rechten überfallen.
    An der Wand neben dem Eingang stehen zwei Jungen und küssen sich. Der, der mir den Rücken zuwendet, hat einen roten Iro. Der andere ist Ryan. Wie gebannt schaue ich ihnen zu, während sie sich leidenschaftlich küssen. Nach einer Ewigkeit, wie mir scheint, öffnet Ryan die Augen und sieht mich über die Schulter des anderen Jungen hinweg an. Ich senke den Blick, gehe weiter.
    In der nächsten Woche zögere ich, ob ich wieder zu Ryan gehen soll, aber ich denke nicht ernsthaft daran, ihn nicht mehr zu sehen. Als ich auf seinem Bett sitze, kann ich mir die Frage nicht verkneifen: “Ist dieser andere Junge dein Freund?”
    “Nein, wir haben nur ein bisschen rumgemacht. Bist du eifersüchtig?”
    “Ich habe ja kein Anrecht auf dich”, sage ich leichthin.
    Und doch, während meine Lippen über seinen Körper wandern, kann ich nur daran denken, was der Andere wohl mit ihm gemacht hat. Und während ich auf seinem Rücken liege und seinen Nacken küsse, merke ich, dass ich mir wünsche, er würde nur mich begehren. Aber das tut er nicht, und nichts was ich tue oder sage wird ihn dazu bewegen.
    Nachher taste ich unterm Bett nach Kippen, denn Ryan bewahrt sie an den unmöglichsten Orten auf. Meine Hand stöße an etwas Hartes, das größer ist als eine Zigarettenschachtel.
    “Was liegt da?”
    “Meine Geige.”
    “Deine was?”
    “Ja, kann ich sogar spielen.”
    “Wollten deine Eltern, dass du das lernst?”
    “Nein, wollte ich selbst lernen. Willst du mal hören?”
    Ryan holt die Geige unterm Bett hervor und legt los. Er spielt kraftvoll und energiegeladen, dunkel und rauh, so wie ich Geige niemals zuvor gehört habe. Es klingt fantastisch, er ist fantastisch.
    Als er die Geige senkt, nehme ich meinen ganzen Mut zusammen: “Ryan, kannst du dir vorstellen, naja, vielleicht … dass aus uns mal mehr wird?”
    Ryan setzt die Geige ab und schaut mich überrascht an. Seufzend setzt er sich neben mich aufs Bett.
    “Darum das?”, er streicht über das nietenbesetzte
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