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Damon Knights Collection 3

Damon Knights Collection 3

Titel: Damon Knights Collection 3
Autoren: Damon Knight
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könnten ihn hören, wenn er heute nacht singt.«
    Zwei Tage später besuchte Tommy Faircrest aus Gründen, die ich damals nicht verstehen konnte. Alle anderen Mädchen schleppten sich in den Versammlungssaal, um ihn zu sehen, Tausende von Pfund erregten Fleisches. An diesem Morgen entdeckte ich, daß ich wieder gehen konnte; ich rappelte mich auf und schlürfte hastig in meinen rosa Kittel, um zu Tommy zu gehen, aber die Hausmutter hielt mich davon ab.
    »Du nicht, Nelly.«
    »Ich muß zu Tommy. Ich muß ihn singen hören.«
    »Vielleicht das nächste Mal.« Mit einem Blick nackter Grausamkeit fügte sie hinzu: »Du bist ein Schandfleck. Du bist noch zu dick.«
    Ich stürzte vor, aber es war zu spät; sie hatte schon den Riegel vorgeschoben. Und so saß ich inmitten meines schwindenden Körpers und litt, während alle anderen Mädchen des Heims ihn singen hörten. Da wußte ich, daß ich etwas unternehmen mußte; ich würde irgendwie wieder zu mir selbst kommen, mir Essen verschaffen und mein Fleisch zurückgewinnen und dann zu Tommy gehen. Ich würde notfalls Gewalt anwenden, aber ich würde ihn singen hören. Ich tobte den ganzen Morgen in meinem Zimmer und hörte die Schreie von fünfhundert Mädchen, das donnernde Trampeln ihrer Füße, aber sogar als ich das Ohr an die Wand preßte, konnte ich Tommys Stimme nicht hören.
    Als Ramona wieder ins Zimmer kam, sagte sie freilich etwas höchst Interessantes. Es dauerte eine Weile, bis sie überhaupt sprechen konnte, aber in ihrer Großzügigkeit spielte sie »Wenn eine Witwe«, während sie allmählich ihre Fassung wiedergewann, und sagte dann:
    »Er ist wegen irgend etwas hergekommen, Nelly. Er ist wegen irgend etwas hergekommen und hat es nicht gefunden.«
    »Sag mir, was er anhatte. Sag mir, was sein Hals tat, als er sang.«
    »Er hat sich alle Vorher-Bilder angesehen, Nelly. Die Hausmutter versuchte, ihm alle Nachhers zu zeigen, aber er betrachtete alle Vorhers und schüttelte den Kopf und dann fand er eins und steckte es in seine Tasche, und wenn er es nicht gefunden hätte, wäre er nicht bereit gewesen, zu singen.«
    Ich spürte, wie es mir kalt über den Rücken lief. »Ramona, du mußt mir helfen. Ich muß zu ihm.«
    An diesem Abend inszenierten wir einen kühnen Ausbruch. Wir schlugen den Pfleger nieder, als er das Abendessen brachte, und nachdem wir ihn unter dem Bett verstaut hatten, aßen wir alle Koteletts und das ganze klebrige Brot auf seinem Servierwagen auf, dann gingen wir durch den Korridor und schoben alle Riegel zurück und als wir hundert Frauen stark waren, schlossen wir die Hausmutter in ihrem Büro ein und plünderten den Speisesaal, in dem wir kreischend alles verputzten, was wir finden konnten. Ich aß an diesem Abend, und wie ich aß, aber schon beim Essen wurde ich mir einer fatalen Leichtigkeit in meinen Knochen bewußt, eines mangelnden Fassungsvermögens, und so entdeckten sie mich denn in der Tiefkühlkammer, weinend über eine Kette von Würsten gebeugt, untröstlich, weil ich begriff, daß sie mich mit ihren Koteletts und ihrem klebrigen Brot verdorben hatten, daß ich nie mehr so wie früher essen könnte, daß ich nie mehr ich selbst sein würde.
    In meiner Wut ging ich mit einem Schinken auf die Hausmutter los, und als ich sie alle unschädlich gemacht hatte, verproviantierte ich mich mit einer Schweinelende und brach aus dem Heim aus. Ich mußte zu Tommy gelangen, ehe ich dünner wurde; ich mußte es einfach versuchen. Vor dem Tor hielt ich ein Auto an, schlug den Fahrer mit der Schweinelende nieder und fuhr zum Riverside Hotel, in dem Tommy immer wohnte. Ich kletterte auf Katzenpfoten die Feuerleiter hinauf, und als sein Kammerdiener mit einem seiner Samtanzüge in seine Suite ging, folgte ich ihm, schnell wie eine Tigerin, und war im Nu drinnen. Als alles still war, ging ich auf Zehenspitzen zu seiner Tür und trat ein.
    Er war hinreißend. Er stand hager und schön am Fenster; sein blondes Haar fiel ihm bis zu den Hüften herab, und seine Schultern schrumpften unter einer herzerweichenden zweireihigen erbsengrünen Samtjacke zusammen. Erst sah er mich nicht; ich saugte sein Bild in mich auf und räusperte mich dann taktvoll. In der Sekunde, in der er sich umdrehte und mich erblickte, schien alles möglich.
    »Du bist es.« Seine Stimme bebte.
    »Ich mußte kommen.«
    Unsere Blicke verschmolzen miteinander, und in diesem Augenblick glaubte ich, daß wir uns beide zu einer einzigen lodernden Flamme vereinigen könnten, aber
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