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Damon Knights Collection 3

Damon Knights Collection 3

Titel: Damon Knights Collection 3
Autoren: Damon Knight
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meine Eltern weiter. Sie bestanden auf ihrer entfetteten Milch und ihrer Rohkost, ohne etwas von meinem nächtlichen Leben zu ahnen. Tagsüber war ich fügsam, döste zwischen den Häppchen, ernährte mich von den Klängen, die aus dem unter meinem Kleid versteckten Radio in mein Ohr drangen. Wenn es Nacht wurde, schaltete ich ab; zu wissen, daß ich mich erst wieder einschalten würde, wenn ich etwas zu essen hatte, verlieh den Dingen eine gewisse Schärfe. In manchen Nächten hieß das nur, zu einem der Verstecke in meinem Zimmer zu gehen und Flaschen, Schachteln, Konservenbüchsen hervorzuholen. In anderen Nächten mußte ich auf die Straße gehen und mir Geld verschaffen, wo ich konnte. Dann legte ich mir einen neuen Vorrat an Kuchen und Brötchen und Wurst aus den Delikateßläden an und mehrere Büchsen Fertiggerichte und vielleicht ein Stück Bacon oder Schinken; ich schleppte einen Korb Orangen gegen Skorbut und eine Dose Schokoladentafeln zur raschen Energiegewinnung herbei. Sobald ich genug beisammen hatte, kehrte ich in mein Zimmer zurück, versteckte die Lebensmittel hier und dort und machte es mir auf meinem Lager zwischen Kissen und Decken bequem. Ich öffnete die erste Pastete oder die erste Familienpackung Eis und schaltete mich, wenn ich zu essen anfing, ein.
    Man mußte sich einschalten; jeder, der etwas bedeutete, schaltete sich ein. Es war unsere Bindung, unser Trost und unsere Macht und keine Frage der Zerstreuung oder des Zeitvertreibs. Auf den Klang kam es an, darauf und auf die Tatsache, daß man, ob dick oder dünn, ob schlafend oder wach, wichtig war, wenn man sich einschaltete, und wußte, daß es bei Feuer und Flut, Wind und Wetter, in schlechten und schweren Zeiten dieses eine Band, dieses gemeinsame Vermächtnis gab; ob stark oder schwach, ob ewig beschenkt oder elend und ungeliebt – wir schalteten uns alle ein.
    Tommy, schöner Tommy Fango, neben dem die anderen verblaßten. Damals hörte sich jeder ihn an; sie brachten ihn innerhalb einer Stunde zwei- bis dreimal, aber man wußte nie wann, so daß man eingeschaltet blieb und unentwegt die Ohren spitzte; man aß, man schlief, man hielt einen Augenblick den Atem an, wenn sie eine von Tommys Platten auflegten, man wartete darauf, daß seine Stimme das Zimmer füllte. Aufschnitt und Topfkuchen und Brathähnchen wechselten sich in dieser Episode meines Lebens ab, aber eines blieb konstant: ich hatte immer eine Sahnetorte bereit, und sobald sie die ersten Takte von »Wenn eine Witwe« spielten und Tommys Stimme sich erhob und entfaltete, begann ich zu Tommys Mitternachtsschau die Sahnetorte zu essen. Damals wartete die ganze Welt; wir warteten während des endlosen Sonnenscheins, Nächte der Trommelwirbel und der Eintönigkeit hindurch, wir alle warteten auf Tommy Fangos Platten, und wir warteten auf Tommys volle ununterbrochene Stunde, auf seine Mitternachtsschau. Damals trat er um Mitternacht in einer Direktsendung auf; er sang im Riverside Hotel, und das war schön, aber wichtiger noch: er sprach, und während er sprach, brachte er alles wieder ins reine. Niemand fühlte sich einsam, wenn Tommy sprach; er führte uns in dieser Mitternachtsschau zusammen, er sprach und machte uns mächtig, er sprach und sang schließlich. Sie müssen sich vorstellen, wie das war: Nacht, ich, Tommy, Torte. Bald sollte ich an einen Ort kommen, an dem ich von Tommy leben mußte, nur von Tommy, bald sollte für mich eine Zeit anbrechen, in der Tommys Stimme mir die Torte, all die verlorenen Torten zurückbrachte …
    Tommys Platten, seine Schau, die Torte … das war vielleicht die glücklichste Zeit meines Lebens. Ich saß da und hörte zu und aß und aß und aß. Meine Seligkeit war so groß, daß es für mich zur Qual wurde, bei Tagesanbruch mein Essen wegzuräumen; es fiel mir immer schwerer, die Schachteln und Büchsen und Flaschen, die Überreste meines Glücks, zu verstecken. Vielleicht glitt ein Stückchen Bacon in die Klimaanlage; vielleicht rollte ein Ei unter das Bett und begann zu stinken. Also schön, vielleicht wurde ich zu unvorsichtig und setzte meine Gelage bis in den Morgen fort oder vielleicht war ich so gedankenlos und ließ ein angebissenes Marmeladenbrötchen auf der Decke liegen. Ich merkte, daß sie mich beobachteten, vor meiner Tür lauerten und Pläne schmiedeten, während ich aß. Eines Tages drangen sie weinend und flehend bei mir ein und jammerten über jeden Eisbecher und jeden Kuchenkrümel; dann drohten sie mir. Schließlich
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