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Damon Knights Collection 3

Damon Knights Collection 3

Titel: Damon Knights Collection 3
Autoren: Damon Knight
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ganze Zeit liebe, ich, der ich ihm ewig hätte gefallen können, wenn das Leben anders verlaufen wäre. Aber ich bin jetzt spindeldürr, ich werde beim leisesten Windstoß wie ein Blatt um die Ecke gewirbelt. Meine Ellbogen klappern gegen meine Rippen, und ich muß den halben Tag das Bett hüten, damit ich ein oder zwei Gramm von dem, was ich esse, zurückbehalte, denn sonst schwinden alles Fett und alle Sahne, verbrennen in meinem eigenen unersättlichen Ofen und schmilzt das wenige Fleisch, das ich noch habe.
    So grausam es auch klingen mag, ich weiß, wer schuld daran ist.
    Es war Eitelkeit, reine Eitelkeit, und deswegen hasse ich sie am meisten. Es war nicht meine Eitelkeit, denn ich bin immer eine schlichte Seele gewesen; ich habe mich schon früh mit verstärkten Stühlen und weiten Kleidern, mit dem Schwall abfälliger Bemerkungen abgefunden. Statt darauf zu achten, schaltete ich mich ein, und ich wäre glücklich gewesen, einfach mit dem Radio in meinem Mieder durchs Leben zu gehen, denn wenn ich auch niemals Rufe der Bewunderung entlockte, so erbleichte doch keiner je und wandte sich ab.
    Aber sie waren eitel, und in ihrer Eitelkeit sahen mein schwächlicher Vater, meine blasse magere Mutter mich nicht als selbständiges Wesen, sondern als Abbild ihrer selbst. Ich erröte vor Scham, wenn ich mich daran erinnere, welche Entschuldigungen sie für mich vorbrachten. »Sie schlägt nach Mays Familie«, sagte dann mein Vater und lehnte jegliche Verantwortung ab. »Es ist nur Babyfett«, pflegte meine Mutter zu sagen und stieß mir den Ellbogen in die weiche Flanke. »Nelly ist groß für ihr Alter.« Dann zog sie heftig meinen umfangreichen Spielkittel über meine Knie. Das war, als sie sich mit mir noch in der Öffentlichkeit zeigten. In dieser Zeit stopften sie mich mit Pasteten und Braten voll, ehe wir irgendwohin gingen, damit ich mich nicht vor anderen vollpfropfte. Trotzdem bediente ich mich ein drittes, viertes, fünftes Mal, machte ihnen also Schande.
    Auf die Dauer wurde ich ihnen zuviel, und sie gingen nicht mehr mit mir aus; sie gaben es auf, Erklärungen dafür zu finden. Statt dessen versuchten sie, sich Mittel auszudenken, die mein Aussehen bessern könnten; die Ärzte versuchten es mit ihren lächerlichen Pillenkuren; sie versuchten, mich dazu zu bewegen, in einen Klub einzutreten. Eine Zeitlang machten meine Mutter und ich Gymnastik; wir saßen auf dem Boden, sie in einem schwarzen Trikot, ich in meinem Kittel. Dann zählte sie forsch eins-zwei, eins-zwei, und ich machte ein paar Schritte auf den Zehenspitzen. Aber ich mußte horchen, mußte mich einschalten, und nachdem ich mich eingeschaltet hatte, mußte ich etwas zu essen auftreiben; vielleicht sang Tommy, und wenn Tommy sang, aß ich immer dabei, deshalb ließ ich sie, weiter eins-zwei, eins-zwei zählend, einfach auf dem Boden sitzen. Eine Weile danach versuchten sie, Nahrungsmittel vor mir zu verschließen. Dann begannen sie, meine Mahlzeiten zu kürzen.
    Das war die grausamste Zeit. Sie verweigerten mir Brot, sie flehten und weinten, sie setzten mir Salat vor und sagten, es sei alles nur zu meinem Besten. Meinem Besten! Konnten sie hören, wie meine Organe vor Hunger brüllten? Ich kämpfte, ich schrie, und als das nichts nützte, litt ich in stillem Gehorsam, bis der Hunger mich schließlich auf die Straße trieb. Ich lag im Bett, ermutigt durch die Monets und Barry Arkin und die Philadons im Radio, und durch Tommy (ich konnte nie genug von ihm bekommen; ich hörte ihn hundertmal am Tag, aber es war nie genug; wie bitter empfinde ich das jetzt!). Ich hörte ihnen zu, und wenn meine Eltern eingeschlafen waren, schaltete ich ab und schlüpfte hinaus in die Nachbarschaft. In den ersten Nächten bettelte ich, lieferte mich der Gnade der Passanten aus, dann stürzte ich in die Bäckerei und nahm alles mit nach Hause, was ich nicht im Laden aufessen konnte. Geld erhielt ich im Nu; ich brauchte nicht einmal darum zu bitten. Vielleicht lag es an meinem Körperumfang, vielleicht an meinem verzweifelten wortlosen Hungerschrei – jedenfalls brauchte ich mich nur zu nähern, und schon gehörte das Geld mir. Sobald mich die Leute erblickten, wirbelten sie herum und rannten davon, mir ein Portemonnaie oder eine Brieftasche in den Weg werfend, so als wollten sie meine Verfolgung verzögern; sie waren verschwunden, ehe ich ihnen danken konnte. Einmal wurde auf mich geschossen. Einmal bohrte sich ein Stein in mein Fleisch.
    Zu Hause weinten und flehten
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