Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitstop 1704

Zeitstop 1704

Titel: Zeitstop 1704
Autoren: A. E. van Vogt
Vom Netzwerk:
 
1.
     
    Das fallende Objekt drang in die Erdzeit ein und befand sich in der Erdatmosphäre. Es war das Jahr 1704 irdischer Zeitrechnung, und der Ort war der Himmel über der Karibik an einem der üblichen, drückend heißen Nachmittage. Auf dem Wasser trieb ein Schiff, doch ob es sich bewegte, ob seine windgeblähten Segel es vorantrieben, war während der kurzen Zeitspanne des Fallens aus der obersten Atmosphärenschicht in die Wellen von dem Objekt aus nicht zu erkennen.
    Auf dem Schiff hatte der größte Teil der Besatzung im Schatten der Segel Schutz vor der glühenden Sonne gesucht und sah so das fallende Raumschiff nicht. Nur der Pirat Figarty schaute in seine Richtung. Er war ein kleiner, drahtiger Bursche mit einem Rattengesicht und, wie die meisten seiner Art, nicht übermäßig klug.
    Etwa sieben Sekunden beobachtete Figarty das stürzende Objekt. Erst dann reagierte seine Motorik. Er drehte sich von der Steuerbordreling um und rannte benommen zum Bug. Er hatte Glück, daß er sich in seinem panischen Lauf nicht mehr als die Zehe anschlug. Aber ihm genügte das schon. Er hüpfte wie ein Wahnsinniger auf dem linken Fuß, während er den rechten einmal mit der Linken, dann mit der Rechten umklammerte. Dabei stieß er rauhe Verwünschungen aus und deutete gleichzeitig (einmal mit der einen, dann der anderen augenblicklich freien Hand) auf das fallende Objekt und brüllte sich die Kehle aus, um möglichst viele herbeizurufen, damit sie sehen konnten, was er sah.
    Das irre Geschrei brach die friedliche Stille auf dem Piratenschiff und drang bis selbst in die letzte Kabine. Die herbeieilende Mannschaft starrte verblüfft auf den hüpfenden, fluchenden Figarty, und keinem wurde klar, daß die abwechselnd fuchtelnden Arme in eine bestimmte Richtung zu deuten versuchten.
    Während dieser kostbaren Sekunden fiel das Objekt immer tiefer, wurde größer, und seine ovale Form war genau zu erkennen, ehe es am Rand des Horizonts im Meer versank.
    Fast im gleichen Augenblick, als der Kapitän an Deck kam, verengten sich die dunklen Augen des Ersten Offiziers Shradd. Fluchend packte er Figarty an der Schulter und brüllte: »Bist du verrückt geworden?«
    Es war Figartys Pech, daß inzwischen nichts mehr zu sehen und außer ihm tatsächlich niemand auf das fallende Objekt aufmerksam geworden war. Denn nun richtete sich die Wut der gesamten, aus ihrer Nachmittagsruhe aufgescheuchten Mannschaft gegen ihn. Figarty sah die Drohung in den Augen der Männer. Noch ehe er sich in Sicherheit bringen konnte, hatte Großkopf ihm bereits einen Tritt versetzt, daß er durch die Luft flog und schreiend auf dem Hintern landete. Doch ehe die anderen sich auf ihn stürzen konnten, ergriff er im Zickzackkurs die Flucht, mit der aufgebrachten Meute hinter ihm her.
    Nur die Baritonstimme des Kapitäns rettete ihn vor einem traurigen Geschick. Der Kapitän war einer der ehemaligen Adeligen, die die Umstände jener Zeit zu verbitterten Piraten gemacht hatten. Es störte ihn nicht, hin und wieder zuzulassen, daß seine Besatzung einen der Mannschaft, der sich in die Nesseln gesetzt hatte, in ihrer Wut umbrachte. Manchmal allerdings gestattete er es nicht – so wie heute.
    »Laßt ihn in Ruhe! Ich will ihn mir vornehmen!« brüllte er mit einer Stimme, die sich bei vielen politischen Versammlungen durchgesetzt hatte. Er nahm Figarty mit in seine Kabine und hörte sich die verworrene Geschichte über ein riesiges Ding an, das aus dem Himmel ins Wasser gestürzt war. Fletcher war ein gebildeter Mann, und so hatte er von fallenden Meteoriten gehört. Derart interpretierte er den abergläubischen Bericht von Rattengesicht.
    Auch der Erste war auf die laut ausgesprochene Einladung – laut deshalb, damit auch alle sie hören konnten – in die Kapitänskabine gekommen. Er schaute den bedauernswerten kleinen Mann finster an. »Das wirst du doch denen da oben nicht weismachen wollen?« fragte er drohend.
    Fletcher hatte das Gefühl, daß Shradd ihn nicht leiden konnte, vermutlich, weil er ihm seine Stellung mißgönnte und selbst Kapitän sein wollte. Shradd konnte lesen und schreiben, und hin und wieder sprach er ein geschliffenes Englisch und mit peinlichster grammatikalischer Genauigkeit, doch meistens bediente er sich eines schlampigen Dialekts. In den drei Jahren, da sie zusammen waren, hatte Shradd nie ein Wort fallen lassen, wo er segeln und navigieren gelernt hatte, auch nicht über seine Vergangenheit. Er kam auf rauhe, ja grobe Weise gut
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher