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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor
Autoren: Charles Stross
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zumindest nicht unter diesem Namen. Turing
hat es nie veröffentlicht. Er ist vielmehr ziemlich überraschend gestorben, und
zwar kurz nachdem er einem alten Kameraden aus Kriegstagen davon erzählt hatte.
Er hätte den Kerl eigentlich besser kennen und ihm nicht vertrauen sollen. Das
war übrigens der größte Erfolg der Wäscherei und gleichzeitig ihr schlimmstes
Desaster. Ehrlich gesagt, haben sie peinlich überreagiert und es so auch noch
geschafft, einen der bedeutendsten Köpfe aller Zeiten zu verlieren.
    Jedenfalls ist das Theorem seitdem immer wieder
entdeckt worden; es wurde allerdings ebenso oft wirkungsvoll unterdrückt – wenn
auch nach jenem Vorfall etwas weniger heftig –, denn schließlich will niemand,
dass so etwas öffentlich bekannt wird und es jeder x-beliebige Joe Cypherpunk
im Internet verbreiten kann.
    Das Theorem führt die diskrete Zahlentheorie weiter,
die einerseits die Church-Turing-Hypothese widerlegt (bitte winken, falls das
klar ist) und andererseits, was wesentlich schlimmer ist, NP-vollständige
Probleme in P-vollständige überführt. Das zieht mehrere Konsequenzen nach sich,
angefangen mit der Zerstörung kryptografischer Algorithmen – übersetzt: Alle
Eure Bankkonten gehören uns – bis hin zur Fähigkeit, computerisiert eine
Dho-Nha-Geometriekurve in Echtzeit zu erstellen.
    Dies ist nur geringfügig weniger gefährlich als
Computerfreaks mit einem Laptop zu erlauben, dieses in eine Wasserstoffbombe zu
verwandeln. Alles, was ihr über unser Universum wisst, stimmt – wenn es da
nicht das kleine Problem gäbe, dass unser Universum nicht das Einzige ist,
worüber wir uns Gedanken machen müssen. Informationen können durch eine
undichte Stelle von einem Universum zum anderen gelangen, und in einer kleinen
Anzahl von anderen Universen gibt es Dinge, die zuhören und auch antworten – siehe
Al-Hazred, Nietzsche, Lovecraft, Poe und so weiter. Die Vielwinkligen, wie man
sagt, leben auf dem Grund der Mandelbrot-Menge, es sei denn, eine passende
Zauberformel holt sie ins platonische Reich der Mathematik – ob computerisiert
oder nicht. (Und ihr habt angenommen, dass diese fraktalen Bildschirmschoner
gut für eure Computer sind?)
    Ach ja, habe ich schon erwähnt, dass die Bewohner
dieser anderen Universen nicht unbedingt nach unseren Regeln spielen?
    Allein das Lösen bestimmter Theoreme schlägt im
platonischen Über-All hohe Wellen. Wenn man dann auch noch große Energie durch
eine Matrix pumpt, die genau nach den richtigen Parametern eingestellt ist – welche
sich offensichtlich aus der von mir genannten Geometriekurve ableiten, die sich
wiederum sehr leicht aus dem Turing-Phänomen deduzieren lässt –, kann man diese
Wellen sogar verstärken, bis sie schließlich gewaltig große Löcher in die
Raumzeit reißen und kongruente Segmente von Universen, die normalerweise
voneinander getrennt sind, verschmelzen. Und dann ist es nicht empfehlenswert,
in diesem Moment im Weg zu stehen.
    Genau für solche Fälle haben wir die Wäscherei …
     
    Ich schlurfe an meinen Schreibtisch zurück – mit einem
kurzen Abstecher zum Kaffeeautomaten, wo ich mir einen Becher widerlich
klebriger Brühe hole, die meine Backenzähne mit körnigem Schleim überzieht. In
der versiegelten Rohrpost warten drei geheime Memos auf mich; eines davon dreht
sich um die unverhältnismäßige Verschwendung von staatlich subventionierter
Zahnpasta. In meiner Inbox befinden sich zudem hundertzweiunddreißig
Nachrichten, die alle gelesen werden wollen. Und auf der anderen Seite des
Gebäudes gibt es einen kaputten Beowulf-Cluster, der dringend von mir einen
neuen Ethernet-Hub installiert haben möchte, um sich dann wieder unserer Gang
aus Kryptobrechern anschließen zu können. Es ist meine Schuld, dass ich der
Rechnertyp der Abteilung geworden bin: Wenn die Maschinen mal nicht wollen,
wedle ich so lange mit einem toten Huhn herum und tippe irgendwelche Voodoo-Beschwörungen
in ihre Tastaturen, bis sie wieder laufen. Was bedeutet, dass die Typen, die
sie ursprünglich haben abstürzen lassen, mich immer wieder zurückholen und für
alles verantwortlich machen, was sie kaputt gemacht haben.
    Man kann sich also vorstellen, wem ich als Erstes
meine volle Aufmerksamkeit zuwende. Genau. Der beige-grünen Wand, die meinem
Schreibtisch gegenüberliegt. Ehe ich nicht fünf Minuten lang dumpf und
gedankenlos darauf gestarrt habe, kann ich mich nicht einmal dazu überwinden,
meine Mails durchzusehen. Irgendwie habe ich ein
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