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Dämonentor

Dämonentor

Titel: Dämonentor
Autoren: Charles Stross
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öffentliches Klo gibt. Es ist nicht
ausgeschildert, und wenn man das U-Bahn-Personal danach fragt, schüttelt es
verneinend den Kopf. Trotzdem ist es da, denn wir haben es verlangt.
    Ich nehme die Metropolitan Line und zwänge mich mit
einer Herde schon jetzt erschöpfter Pendler in eine muffige Sardinenbüchse. Am
Euston Square wechsle ich in die Northern Line. An der nächsten Station steige
ich aus, laufe die Treppe hoch, verschwinde bei »Herren« und betrete dort die
rechte Kabine. Anstatt die Wasserspülung nach unten zu drücken, presse ich sie
nach oben, und die hintere Wand öffnet sich – einschließlich Wasserkasten. Dahinter
befindet sich der Vorraum. Es sieht alles ein bisschen wie die Ausstattung
eines mit magerem Budget versehenen B-Movie aus, das Remake eines
Spionagethrillers aus dem Hollywood der Sechzigerjahre. Vor einiger Zeit habe
ich mich mal bei Boris erkundigt, warum wir uns eigentlich die Mühe machen,
aber er lachte nur und schlug mir vor, Angleton zu fragen – was so viel bedeutet
wie »Vergiss es«.
    Die Wand schließt sich hinter mir, und ein elektromagnetischer
Riegel entsperrt die Kabinentür. Das Klomonster wartet auf sein nächstes Opfer.
Ich lege meine Hand in den ID-Scanner, hole meine Dienstmarke aus dem Schlitz
daneben und überschreite die rote Linie der eigentlichen Türschwelle. Ein
weiterer Arbeitstag in der Capital Wäscherei, wo diskrete  Agenten die
Schmutzwäsche für die Regierung erledigen.
    Erster Halt: mein Büro. Wenn man es als Büro bezeichnen
kann. Es ist eher eine Nische zwischen Schließfächern und Aktenschränken.
Dazwischen haben die Heinis vom Gebäudemanagement einen Schreibtisch und einen
kaputten Drehstuhl hineingezwängt. Ich werfe Mantel und Jacke darauf und schon
säuselt mir mein Computer entgegen: SIE HABEN POST. Was du nichts sagst,
Sherlock, ich habe immer Post! Es ist geradezu eine Frage von Leben und
Tod: Falls ich einmal keine Nachrichten erhalten sollte, wäre wohl die Welt aus
den Fugen geraten.
    Auf meinem Tisch steht außerdem ein Becher mit kaltem,
abgestandenem Milchkaffee, auf dem bereits Fettaugen schwimmen. Marcia ist
anscheinend wieder mal übermäßig effizient gewesen. Eine gelbe Notiz kringelt
sich vorwurfsvoll auf einer meiner Tastaturen: MEETING 9.30 UHR, RAUM B4.
Verdammte Scheiße, wie konnte ich das nur vergessen?
    Ich mache mich auf den Weg zu B4.
    An der Tür leuchtet ein rotes Licht. Ich klopfe an und
wedele kurz mit meiner Dienstmarke, falls sich die Fuzzis von der Sicherheit
überhaupt darum scheren. Drinnen ist die Luft zum Schneiden dick. Anscheinend
hat Andy mal wieder ohne Unterbrechung seine französischen Fluppen geraucht.
»Hey«, sage ich. »Alle da?«
    Boris der Maulwurf schaut mich mit unbewegter Miene
an. »Du bist spät dran.«
    Harriet schüttelt den Kopf. »Nicht jetzt.« Sie schiebt
ihre Papiere zu einem perfekten Stapel zusammen. »Gut geschlafen, hoffe ich?«
    Ich ziehe einen Stuhl heraus und lasse mich darauf
fallen. »Gestern Nacht habe ich sechs geschlagene Stunden damit verbracht, mich
in die Psyche eines Busches einzufühlen. Inklusive dreifachem Platzregen, und
einmal regnete es kleine, recht verwirrte Frösche.«
    Andy drückt seine Zigarette aus und setzt sich gerade
hin. »Nachdem wir jetzt alle da sind …« Er schaut Boris fragend an. Boris
nickt. Ich versuche, keine Miene zu verziehen. Ich hasse es, wenn die alte
Garde versucht, einen auf Haltung zu machen.
    »Volltreffer.« Andy grinst mich an. Mir bleibt vor
Schreck fast das Herz stehen. »Du kommst heute Abend mit in den Pub, Bob. Ich
zahle. Note Eins für deine Ergebnisse, Note Drei Plus für die Feldarbeit – also
alles in allem eine gute Zwei.«
    »Echt? Ich dachte, ich hätte schon beim Einsteigen das
volle Chaos –«
    »Nein, hast du nicht. Wenn es kein halb geheimer
Auftrag gewesen wäre, hättest du natürlich deine Schuhe verbrennen müssen. Aber
das war nicht so schlimm. Es gab keine Zeugen, du hast problemlos deine Aufgabe
bewältigt, und man kann dir nichts nachweisen. Dr. Denver wird zu seinem
Schrecken feststellen, dass er Opfer der Personaleinsparung wird und sich einen
Job suchen muss, der weniger heikel ist.« Er zuckt lässig mit den Schultern.
»Viel mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen.«
    »Aber der Sicherheitsmann hätte mich –«
    »Der Sicherheitsmann wusste, dass ein Einbruch
stattfinden würde, Bob. Er hätte sich nicht von der Stelle gerührt, nichts
gesehen und auch keinen Alarm ausgelöst. Es sei denn,
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