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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch
Autoren: Hans Rath
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können fliehen. Auch wir werden verhaftet. Der Einsatzleiter ist jener Polizist,
     der uns eben noch ermahnt hat, keinen Unfug mehr anzustellen. Er ist demgemäß nicht gut auf uns zu sprechen. Unsere Sachen
     werden konfisziert, bis geklärt ist, wem sie rechtmäßig gehören.
    Die Zelle ist nicht geräumig, aber gemütlich. Fred haut sich ganz selbstverständlich auf eine der vier Pritschen.
    «Kommt nicht in die Tüte», sage ich barsch. «Die Betten sind für Leute, die was geleistet haben.»
    Fred verzieht sich missmutig unter die Pritsche.
    |250| Ein von der Polizei gerufener Arzt stellt fest, dass ich mir ein paar Prellungen und Abschürfungen zugezogen habe. Nicht
     weiter tragisch. Ich bekomme eine Salbe und Pflaster. Schamski hat ein blaues Auge, Bronko einen Kratzer an der Stirn, ein
     herumfliegender Stuhl hat ihn gestreift. Günther ist gänzlich unverletzt, ganz im Gegensatz zu seinem Widersacher.
    «Sie haben ihm mehrere Wirbel verrenkt und den Arm ausgekugelt», sagt der Arzt vorwurfsvoll.
    «Tja, gelernt ist gelernt», erwidert Günther sonnig und streckt sich wohlig auf seiner Pritsche aus.
    Als wir am nächsten Morgen frischen Kaffee, Toasts und Marmelade serviert bekommen, spielen wir mit dem Gedanken, von nun
     an jeden Abend eine Schlägerei anzuzetteln. So luxuriös wie hier haben wir in den vergangenen Wochen weder übernachtet noch
     gefrühstückt.
    Ein Beamter der Nationalpolizei klärt uns wenig später darüber auf, warum wir so freundlich behandelt werden. «Sie haben
     uns sehr geholfen. Die Jungs, die Sie gestern aufgemischt haben, gehören zum Führungskreis einer Hehlerbande, der wir schon
     lange auf den Fersen sind.»
    «Gern geschehen», erwidert Schamski mit zugeschwollenem Auge.
    «Ich möchte mich dafür revanchieren», fährt der Beamte fort. «Eine Belohnung ist leider nicht ausgesetzt, aber ich könnte
     die Sache mit den Sonnenliegen aus der Welt schaffen.» Er schaut in unsere erfreuten Gesichter und lächelt. «Außerdem bekommen
     Sie selbstverständlich Ihr Gepäck zurück. Sobald Sie zu Ende gefrühstückt haben, können Sie gehen. Sie sind frei.»
    Wer hätte das gedacht? Wir sind so erstaunt, dass keiner von uns ein Wort des Dankes herausbringt.
    |251| «Ach ja», sagt der Beamte, als er schon im Begriff ist, sich abzuwenden. «Außerdem warten draußen zwei Damen auf Sie.»
    Wir wechseln fragende Blicke.
    «Wie heißen denn die beiden?», will ich wissen.
    Der Beamte zuckt mit den Schultern. «Ich hab nicht mit ihnen gesprochen. Aber die Kollegen wissen das bestimmt.» Er grüßt
     und verschwindet.
    «Das ist Iggy», sagt Günther mit prophetischem Blick zur Decke.
    Ich vermute, jetzt hat er wieder eine von seinen Panikattacken, aber diesmal irre ich mich gewaltig.
    «Wenn Iggy wirklich da draußen auf mich wartet, dann ist das ein Wink des Schicksals», verkündet Günther mit leichtem Pathos.
     «Dann sollen wir beide noch eine zweite Chance bekommen.»
    «Wow», sagt Schamski. «Was ist mit deiner Panik?»
    «Weg», erwidert Günther leichthin. «Wenn man ein paar Wochen in der Gosse gelegen hat, ohne ins Gras zu beißen, dann erledigen
     sich einige Existenzängste ganz von selbst.»
    «Okay», sage ich rasch, bevor Günther es sich nochmal anders überlegt. «Dann wollen wir unserem Schicksal mal entgegengehen.»
    Günther bekommt seine zweite Chance. Eine der beiden Frauen, die auf uns warten, ist tatsächlich Iggy. Als sie Günther sieht,
     rollen ihr die Tränen übers Gesicht. Die beiden fallen sich in die Arme, und Günther schwört ihr an Ort und Stelle, dass
     er mit ihr ein Haus im Grünen nebst einer großen Familie haben will, vorausgesetzt, Iggy kann ihm vergeben, dass er sich
     wie ein Idiot benommen hat. Sie nickt glücklich unter Tränen und küsst ihn.
    |252| Ich weiß nicht, ob ich Günthers radikalen Umschwung gesund finde. Sein Pessimismus war sicher übertrieben, sein Optimismus
     ist es jetzt aber auch. Vielleicht sollte ein Mann mit durchgewetzter Hose und ohne einen Cent in der Tasche einer Frau nicht
     gleich Landhäuser und Großfamilien versprechen, aber das ist jetzt Günthers Problem. Ich wünsche ihm und Iggy jedenfalls
     alles Glück der Welt.
    «Ich muss mich auch bei dir entschuldigen», sagt Melissa leise zu Schamski und schaut flehentlich in sein nicht zugeschwollenes
     Auge.
    Schamski nickt, dann zieht er sie sanft zu sich und nimmt sie in den Arm. «Wie habt ihr uns überhaupt gefunden?»
    Melissa schmiegt sich an ihn. «Wir
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