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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch
Autoren: Hans Rath
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ich ihren Elite-Uni-Abschluss förmlich gerahmt vor mir sehe. «Konstantin hat zwei
     Töchter aus erster Ehe. Iris lebt in London. Seit ihrer Heirat vor ein paar Monaten.»
    Ich weiß. Wir haben am Tag zuvor miteinander geschlafen, und ich habe es dann vermasselt, die Hochzeit zu sprengen. Letzteres
     hat Iris nie erfahren. Ich habe ihr gesagt, dass ich aufgrund einer Autopanne in jenem Dorf gelandet bin, wo die Feierlichkeiten
     stattfanden. Das stimmte sogar, gelogen war hingegen, dass ich zufällig dort war. In Wahrheit wollte ich Iris nämlich bitten,
     nicht vor den Traualtar zu treten, kam aber leider zu spät.
    «Ich kenne ihren Mann aus London», fährt Melissa fort. «Timothy ist ein Gentleman mit einer blendenden Zukunft. Er hat einen
     tadellosen Ruf und verkehrt nur in den besten Kreisen.»
    Bestimmt ein Upperclass-Bubi, dessen Sippe seit Jahrhunderten arme Bauern ausbeutet.
    «Alter Adel?», frage ich Interesse heuchelnd.
    «Nein», erwidert Melissa. «Timothy hat sein Geld mit Immobilien verdient. Sein Vater war ein einfacher Dachdecker.»
    Na klar. Die meisten Hollywoodstars kommen ja auch |25| aus einfachen Verhältnissen, sind aber seltsamerweise dennoch mit irgendwelchen reichen oder mächtigen Leuten verschwistert
     oder verschwägert. Außerdem nennen Dachdecker ihre Söhne vielleicht Brendan oder Mike, aber niemals Timothy.
    «Es würde mich aber nicht wundern», ergänzt Melissa, «wenn Timothy eines Tages von der Queen zum Ritter geschlagen würde.
     Er engagiert sich sozial sehr stark, und es gab schon mehrfach das Gerücht, er würde in die Politik gehen.»
    Ich habe genug von Heldengeschichten über den künftigen Sir Timothy. Ich halte inne, schaue mich um, als würde ich die Aussicht
     genießen, und hoffe, dass Melissa unterdessen das Thema wechselt. Dabei fällt mein Blick auf Audrey, die ein Sonnenbad
     auf der großzügigen Poolterrasse nimmt. Melissa bemerkt es.
    «Meine Nichte Audrey. Konstantins zweite Tochter aus erster Ehe. Ist sie Ihnen eigentlich schon vorgestellt worden?»
    «Wir haben uns zufällig im Flugzeug kennengelernt.»
    «Dann wissen Sie ja schon, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt.»
    Ich nicke. So kann man es auch ausdrücken.
    «Manchmal beneide ich Audrey.» Melissa klingt wehmütig. «Sie weiß, was sie will, und sie hat das ganze Leben noch vor sich.»
    Ich stutze. «Haben wir das nicht auch?», frage ich. «Zumindest noch ein gutes Stück.»
    Melissa sieht mich an. «Wir Frauen haben da eine etwas andere Zeitrechnung, wissen Sie?»
    Ja, ich weiß. Ich kenne ein paar, deren biologische Uhr so laut tickt, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht.
    |26| «Glauben Sie mir, Mr.   Schuberth, es ist für eine erfolgreiche Frau nicht leicht, einen Partner zu finden. Manche Männer wollen nur Geld, manche
     stecken in ungeklärten Beziehungen fest, andere haben Probleme mit dem Job, mit Drogen oder mit ihrer Gesundheit. Und unter
     den wenigen, die dann übrig bleiben, muss man auch noch denjenigen finden, der eine Familie gründen will, und das nicht
     erst in fünf Jahren.»
    Sie bemerkt, dass ich nun auch ernst geworden bin, und lächelt breit. «Machen Sie doch nicht so ein trauriges Gesicht,
     Mr.   Schuberth. Ich bin erst siebenunddreißig. Mir bleibt also noch etwas Zeit. Keine Sorge.»
    Keine Sorge? Ich bin offensichtlich gerade in ein Bewerbungsgespräch geraten. Natürlich mache ich mir da Sorgen.
    «Ich bin sicher, Sie werden den richtigen Mann schon noch finden», sage ich und befürchte, dass das nicht sehr überzeugend
     klingt.
    Melissa zeigt erneut ihr schneeweißes Lächeln. «Wer weiß, Mr.   Schuberth? Vielleicht ist der Richtige mir ja bereits über den Weg gelaufen», sagt sie mit einem beunruhigenden Blitzen in
     den Augen.
    Melissas Attacke wird von Uschis Mann Josef unterbrochen, der nun am Ende der Treppe erscheint. Er schleppt meine Koffer
     und möchte wissen, auf welches Zimmer er sie bringen soll.
    «Wir kommen», ruft Melissa bester Laune und zieht mich sanft, aber bestimmt in Richtung Haupthaus.
    Derweil Josef, den man Jupp nennen darf, meine Koffer in die obere Etage schleppt, zeigt Melissa mir das weitläufige Erdgeschoss.
     Den Eingangsbereich dominiert ein großformatiges Ölgemälde. Das Bild zeigt Elisabeth von Beuten |27| als stahlblaue Patriarchin und ist fast identisch mit dem Foto, das sich in meinem Dossier befindet. Der Unterschied besteht
     lediglich darin, dass Elisabeth in Öl noch grimmiger aussieht.
    Im
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