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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch
Autoren: Hans Rath
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hab zwar den Überblick
     noch nicht verloren, das wäre aber der Fall, wenn mein Kalender einem Windstoß zum Opfer fiele. Ein wenig irritiert schaut
     der junge von Beuten auf den Klumpen Papier in meiner Hand.
    Ich sehe jetzt, dass auch er seinen Kalender mitgebracht hat. Es ist ein in Kalbsleder gebundenes Filofax, das neben ausgewählten
     und akkurat verstauten Visitenkarten einen goldenen Füllfederhalter enthält, den Konstantin nun mit spitzen Fingern hervorzieht.
    «Dann legen Sie mal los», sage ich, um ihn von meinem Plastikkalender abzulenken, stelle dabei fest, dass mein Ein-Euro-Kugelschreiber
     gerade den Geist aufgegeben hat, |33| und glaube zu bemerken, dass Konstantin fast unmerklich die Nase rümpft.
    Wenige Minuten später bin ich für die kommenden Tage ausgebucht. Neben diversen innerfamiliären Sitzungen, in denen meine
     Vorstellungen von der künftigen Verlagspolitik diskutiert werden sollen, gibt es eine Handvoll gesellschaftlicher Anlässe,
     die dazu dienen, mich Freunden und Verbündeten der Familie vorzustellen. Ob ich an den Tagesausflügen der von Beutens, insbesondere
     den Bootsausflügen, teilnehme, bleibt mir überlassen. Die noch verbleibende Zeit, schätzungsweise also die Viertelstunde
     vor dem Abendessen, steht zu meiner freien Verfügung. Ich merke, dass Konstantin ganz in seinem Element ist. In einer perfekten
     Welt wäre er wahrscheinlich ein glücklicher Buchhalter. Zum Abschluss gibt er mir ein kleines Zettelchen mit den sauber notierten
     Zugangsdaten für das hauseigene Computernetz. Die ganze Kommunikation laufe über Satellit, erklärt Konstantin, weshalb im
     Haus auch fast alle Fernsehsender der Welt zu empfangen seien. Bei speziellen Wünschen könne ich mich gerne an Uschi wenden,
     die kümmere sich nämlich um alles.
    Gleich nachdem Konstantin sich verabschiedet hat, logge ich mich ein und versuche im Internet herauszufinden, um welche
     Rasse es sich bei Elisabeths Windhund handelt. Falls beim Abendessen das Gespräch darauf kommt, möchte ich vorbereitet sein.
     Nebenbei hoffe ich, dass unser gemeinsames Interesse für Hunde mir helfen wird, bei Elisabeth das Eis zu brechen. Ihr Hund
     ist ein Saluki, stelle ich fest, ein persischer Windhund. Obwohl er aussieht, als hätte er Bulimie und kreisrunden Haarausfall,
     ist er ziemlich teuer. Außerdem gilt der Saluki als hochsensibel |34| und schreckhaft. Offenbar also ein angenehmer Hund, besonders wenn ich ihn mit dem Kneipenschläger vergleiche, den ich zu
     Hause habe.
    Was wollte ich denn eben noch? Schamski anrufen, genau. Ich greife zum Handy und drücke die Wahlwiederholung.
    «Ich kann jetzt nicht», höre ich Schamski sagen, dann wird das Gespräch einfach weggedrückt.
    Ich weiß, dass Schamski sich nach seiner Herzoperation eine längere Auszeit genommen hat. Unwahrscheinlich, dass er gerade
     in Terminen erstickt. Ich wähle also erneut, die Verbindung wird hergestellt.
    «Man schaltet die Mailbox ein oder stellt das Handy ganz aus», sage ich. «Aber man geht nicht ran und sagt dann: Ich kann
     jetzt nicht.»
    «Wart mal kurz», erwidert Schamski, dann höre ich, wie eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wird, gefolgt von einem
     Knistern und dem Aufflammen eines Feuerzeugs. Schamski inhaliert und atmet geräuschvoll aus.
    «Rauchst du etwa?», frage ich.
    «Professor Neuberger findet es vernünftiger, wenn ich moderat rauche, statt ständig auf Entzug zu sein.»
    «Der Professor ist offenbar ein toleranter Zeitgenosse», sage ich.
    «Der Professor ist eine Sie und liegt gerade in meinem Bett», erwidert Schamski. «Deswegen hab ich dich eben weggedrückt.»
    «Du hast eine Affäre mit deiner Kardiologin», stelle ich fest.
    «So ist es», entgegnet Schamski. «Und es wäre mir deshalb sehr recht, wenn du dich kurz fassen könntest.»
    Ich erkläre Schamski in groben Zügen, wie die Verhältnisse |35| in der Familie von Beuten sind, und frage ihn, wie ich strategisch vorgehen soll.
    Schamski hört geduldig zu, dann nimmt er einen Zug aus seiner Zigarette und schweigt eine kurze Weile.
    «Du bist auf Mallorca mit zwei anstrengenden Frauen, einem Alkoholiker, einem Muttersöhnchen und einer alten Schachtel»,
     konstatiert er. «Das nennt sich Familienurlaub und passiert jedes Jahr millionenfach.»
    So kann man es auch sehen.
    «Ich würde dir raten, dich ganz normal zu verhalten. Familien sind sowieso unberechenbar. Mit Strategie kommt man da nicht
     weit.»
    Ich überlege. Hört sich ebenso
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