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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch
Autoren: Hans Rath
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wir |42| über Mallorca, das nach einhelliger Meinung aller Anwesenden seine wahre Schönheit erst offenbart, wenn man es vom Meer
     aus erkundet, weshalb besonders Melissa mir ans Herz legt, doch bitte an den Bootsausflügen der Familie teilzunehmen. Karl,
     der am schnellsten von uns allen genippt hat, mixt sich noch einen Horse’s Neck und bittet seine Lieben, mich nicht zu sehr
     zu bedrängen: «Vielleicht geht es Paul ja wie mir und er wird leicht seekrank.» Ich erkläre, dass ich damit eigentlich keine
     Probleme habe, und nehme Melissas Einladung auf die von Beuten’sche Yacht dankend an.
    Wenig später werden Melonenschiffchen mit Serranoschinken serviert. Der kleine Alphons, der bislang noch keinen Ton gesagt
     hat und insofern entweder ein sehr stilles Kind oder aber das Opfer einer rabiaten Erziehung ist, katapultiert bei dem Versuch,
     die Melone anzuschneiden, seinen Schinken in hohem Bogen auf die Terrasse. Sofort stürzt sich Elisabeths Saluki darauf und
     verputzt die Scheibe vor den Augen des sichtlich erschrockenen Jungen, der nun in Tränen ausbricht.
    Weil ich Alphons beruhigen will, biete ich ihm meinen Schinken an, woraufhin Konstantin interveniert: «Es wäre kein Problem,
     neuen Schinken aus der Küche kommen zu lassen, Herr Dr.   Schuberth. Aber ich denke, mein Sohn muss lernen, dass man im Leben schnell als Verlierer dasteht, wenn man sich allzu
     ungeschickt anstellt.»
    Was für ein Schwachsinn, denke ich, sage jedoch: «Ich möchte mich keineswegs in Ihre Erziehungsmethoden einmischen, Herr
     von Beuten. Ich denke aber, dass der Verlust einer Scheibe Schinken Ihren Sohn nicht davor bewahren wird, beispielsweise
     später mal die falsche Frau zu heiraten.» Eigentlich will ich damit ausdrücken, dass ich es |43| Unfug finde, Kindern abstrakte Sachverhalte durch abstrakte Erziehungsmaßnahmen nahebringen zu wollen, merke aber im gleichen
     Moment, dass das von mir gewählte Beispiel für heftige Irritationen sorgt. Konstantin blickt leicht verstört in die Runde,
     während sich Karl am anderen Ende des Tisches an seinem vierten Brandy verschluckt. Elisabeths ungnädiger Blick ruht derweil
     auf mir wie Lehmboden auf einem Sargdeckel. Nur Audrey grinst, wie nur eine Frau grinsen kann, die ihre Tage mit Unterwäschemodels
     verbringt.
    Ich überlege noch, wie ich die Situation entschärfen kann, da hört man von draußen ein Motorengeräusch. Der Geländewagen
     fährt vor.
    «Ah! Da kommen sicher Iris und Timothy», frohlockt Karl und schüttet sich auf dieses erfreuliche Ereignis Brandy nach.
    Ich merke, dass mein Herz ein wenig schneller schlägt. Gleich werde ich Iris wiedersehen. Ich hatte gehofft, dass es sich
     irgendwie ergeben würde, wenigstens kurz mit ihr allein zu sein. Jetzt sitze ich inmitten ihrer Familie, und wahrscheinlich
     wird sie mir in ein paar Minuten ihren Ehemann vorstellen. Hätte schlimmer kommen können. Aber eben auch besser.
    Timothy erscheint, und er ist   … allein. Während er zweimal den Tisch umrundet und zunächst formvollendet Handküsse und Komplimente an die Damen verteilt,
     um danach die Männer mit kernigem Händedruck zu begrüßen, erzählt er uns, dass Iris noch Termine in London wahrnehmen müsse.
     Ein wichtiges Charity-Projekt nehme sie so in Anspruch, dass sie leider erst morgen Mittag auf die Insel kommen könne.
    Während er das sagt, hebt Timothy bedauernd die Arme, |44| und ich stelle fest, dass sein blauer Zweireiher praktisch keine Falten wirft. Ich vermute, es handelt sich um einen Maßanzug,
     der direkt auf die Haut genäht wird, denn anders kann ich es mir nicht erklären, dass er trotz eines mehrstündigen Fluges
     und einer langen Autofahrt noch so perfekt sitzt. Meine Anzüge sehen nach zwei Stunden im Büro immer so aus, als hätte ich
     damit tagelang auf einer Parkbank übernachtet.
    Konstantin zieht sein ledergebundenes Filofax hervor und zückt den goldenen Füllfederhalter. «Wann kommt Iris denn an? Ich
     schicke dann Uschi zum Flughafen», sagt er und scheint sich darauf zu freuen, gleich einen neuen Termin in seinen Kalender
     eintragen zu können.
    «Vielen Dank», erwidert Timothy. «Aber ich würde es bevorzugen, meine Frau selbst abzuholen.»
    Elisabeth scheint zu bemerken, dass ich Timothy aufmerksam mustere, und ich lese einen Anflug von Hochmut in ihrem Gesicht.
     Sie würde jede Wette eingehen, dass ich ihrem perfekten und stilsicheren Schwiegerenkel in keiner Hinsicht das Wasser reichen
     kann.
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