Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Da muss man durch

Titel: Da muss man durch
Autoren: Hans Rath
Vom Netzwerk:
lustiger isset doch.»
    Eine mäßig lustige Stunde später setzen wir Henning an seiner Finca ab. Sie ist klein, ein wenig heruntergekommen und im
     Moment verwaist. In einem Western wäre sie die verlassene Poststation.
    «Sind wohl alle schwimmen gegangen», mutmaßt Henning, ein wenig enttäuscht darüber, dass seine Familie ihn offenbar eher
     am Flughafen verrotten lässt, als auf einen Strandtag zu verzichten.
    «Die kommen sicher bald», versucht Audrey ihn aufzumuntern.
    Henning quittiert ihre Bemerkung mit einem dankbaren Lächeln. Zum Abschied bekommen wir ein großes Glas Bio-Honig geschenkt,
     außerdem sollen wir vorbeischauen, wenn wir mal wieder in der Gegend sind.
    Eine weitere Stunde später verlassen wir die Hauptstraße |16| und gelangen durch unzählige Serpentinen zum Anwesen der Familie von Beuten. Der Geländewagen passiert ein reichverziertes
     schwarzes Eisentor, über dem in großen silbernen Lettern zu lesen ist: «Faber est suae quisque fortunae».
    Audrey sieht, dass ich mir Mühe gebe, meine armseligen Lateinkenntnisse zusammenzukratzen, um den Sinnspruch zu entschlüsseln,
     und übersetzt kurzerhand: «Jeder ist seines Glückes Schmied.»
    Danke. Das hätte bei mir wesentlich länger gedauert.
    «Daddy ist stolz auf seine humanistische Bildung», erklärt Audrey.
    Toll, dann bin ich ja schön aufgeschmissen.
    «Früher war er ein ziemlicher Besserwisser», ergänzt sie. «Aber das hat inzwischen etwas nachgelassen.»
    Wir verlassen ein Waldstück und fahren auf einer unbefestigten Straße eine Anhöhe hinauf. In der Ferne funkelt das Meer.
    Vor uns taucht ein Radfahrer auf. Es ist ein kleiner Junge von vielleicht sechs oder sieben Jahren, der energisch in die
     Pedale tritt und nun freudig zu winken beginnt.
    «Seht mal! Der Alphons!», ruft Uschi.
    «Mein kleiner Bruder», ergänzt Audrey und winkt zurück.
    In diesem Moment holpert das Kinderfahrrad über einen Stein, Alphons verliert das Gleichgewicht, schießt mit seinem Gefährt
     über den Straßenrand hinaus und stürzt kopfüber einen steilen Abhang hinab.
    Mir stockt der Atem.
    «Ach, der Alphons!», lacht Uschi und passiert, ohne den Fuß vom Gas zu nehmen, jene Stelle, an der Alphons mutmaßlich
     gerade sein Leben ausgehaucht hat.
    |17| Ich schaue irritiert den Hang herunter und versuche die Überreste von Alphons zu erspähen, derweil Audrey entspannt erklärt:
     «Mein Bruder ist ein Tollpatsch. So was passiert ihm andauernd.»
    Um mir die Stelle zu merken, an der die Rettungsmannschaft später nach Alphons suchen muss, blicke ich durch die Heckscheibe
     und sehe dabei mit Erleichterung, dass der Junge den Sturz wie durch ein Wunder überlebt hat. Alphons kraxelt humpelnd auf
     die Straße zurück und zieht dabei die Reste seines Fahrrads hinter sich her.
    Als ich mich wieder nach vorne wende, staune ich erneut. Der Feriensitz der von Beutens liegt nun vor uns. Es ist ein imposantes
     Herrenhaus, an dessen mit Bougainvilleen bewachsenem Portal uns ein älterer Herr mit graumelierten Haaren erwartet. Seine
     Kleidung und seine aristokratische Haltung passen dermaßen gut zum Ambiente, dass ich das Gefühl habe, in einen Sonntagabendfilm
     hineinzufahren.
    Der Wagen hält, Audrey springt ins Freie. «Grandpa!», höre ich sie rufen und sehe durch die Frontscheibe, wie sich die
     beiden in die Arme fallen.
    «Der alte Herr von Beuten», erklärt Uschi. «Audrey und er sind ein Herz und eine Seele. Sind ja auch beide Künstler.»
    Derweil Audrey im Badehaus verschwindet, um sich für ein paar Bahnen im Pool umzuziehen, machen Karl von Beuten und ich
     es uns auf einer der zahlreichen Terrassen bequem. Der Blick ist phantastisch, und es geht eine leichte Brise.
    «Was darf ich Ihnen denn zu trinken anbieten, Paul?», fragt Karl und gießt sich selbst einen mehrstöckigen Brandy ein. «Wir
     haben Gin, Rum, Whisky   …» Er hält inne, betrachtet das opulente Alkoholangebot. «Eigentlich gibt es nichts, was wir nicht haben.»
    |18| Ich schiele auf meine Uhr. Es ist früher Nachmittag. Wenn ich jetzt anfange, Schnaps zu trinken, werde ich beim Abendessen
     wahrscheinlich Seemannslieder grölen. Das möchte ich vermeiden. «Nur ein Glas Wasser bitte.»
    Karl nickt und schenkt ein, derweil sich auf der anderen Seite des Pools die Tür zum Badehaus öffnet und Audrey erscheint.
     Sie trägt nichts außer einem kleinen, schwarzen Bikini-Slip.
    Ich nicke lächelnd und wende mich dann rasch wieder meinem Gesprächspartner zu, damit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher