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Da muss man durch

Titel: Da muss man durch
Autoren: Hans Rath
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ich uns erheben, um sie zu begrüßen.
     Karl öffnet theatralisch die Arme. «Liebste! Wie schön, dass du wieder da bist.»
    |21| Elisabeth macht keine Anstalten, die Begrüßung zu erwidern, ihr Blick fällt auf das leere Brandyglas.
    «Trink bitte nicht so viel», sagt sie mit leiser, ruhiger Stimme. Es klingt freundlich, dennoch ist ein gefährlicher Unterton
     unüberhörbar.
    Karl überspielt ihre Bemerkung mit einem Lächeln. «Darf ich dir unseren Gast vorstellen? Dr.   Schuberth ist eben erst aus   …»
    «Später», unterbricht Elisabeth und streckt mir einen Arm entgegen. Ganz offensichtlich erwartet sie einen Handkuss.
    «Sehr erfreut», sage ich und hauche ihr einen Kuss auf den Handrücken, obwohl ich solche angestaubten Umgangsformen ähnlich
     überflüssig finde wie Operettenfilme und Kosakenuniformen.
    «Ich sehe Sie dann ja beim Abendessen», ordnet Elisabeth mit einem distinguierten Lächeln an, wendet sich ab und strebt
     dem Haus zu.
    Der Schlaks folgt ihr beflissen und nickt mir dabei zu. «Ich möchte Mutter nur gerade auf ihr Zimmer bringen und bin gleich
     bei Ihnen, Dr.   Schuberth.»
    Etwas perplex schaue ich dem Grüppchen hinterher und bemerke nun, dass die braungebrannte Dame noch an unserem Tisch steht.
    «Willkommen auf der Insel, Mr.   Schuberth», sagt sie mit leichtem, aber unüberhörbarem britischen Akzent und einem breiten Lächeln. «Ich bin Melissa von
     Beuten.»
    «Freut mich ebenfalls», erwidere ich und erwarte leicht verunsichert, dass auch sie mir die Hand zum Kuss reichen wird.
     Melissa hakt sich stattdessen locker bei mir ein. «Kommen Sie, ich führe Sie ein wenig herum. Hat man Ihnen schon Ihr Zimmer
     gezeigt?»
    |22| Ich schüttle den Kopf, Melissa wendet sich Karl von Beuten zu. «Papa, du erlaubst, dass ich unseren Gast kurz entführe?»
    «Lasst euch bitte nicht aufhalten», erwidert Karl bester Laune und schielt nach der Brandyflasche.
    Wenig später flaniere ich mit Melissa durch den Garten. Ich bin unschlüssig, was ich von Elisabeth von Beutens Begrüßungszeremonie
     zu halten habe. Im Moment werde ich das Gefühl nicht los, dass sie mich als Vorstandsvorsitzenden bereits abgeschrieben hat,
     aber noch darüber nachdenkt, mich als Stallknecht einzustellen.
    «Mr.   Schuberth?» Melissa reißt mich aus meinen Gedanken. Ich habe ihre letzten Bemerkungen überhört, sie sieht, dass mir das
     unangenehm ist. «Entschuldigung», sage ich. «Was haben Sie gerade gesagt?»
    «Ich habe gesagt, dass ich Sie ungemein attraktiv finde», erwidert sie, und ihre vollen Lippen entblößen eine Reihe makellos
     gebleachter Zähne.

[ Navigation ]
    |23| Ich bin erst siebenunddreißig
    Melissa hat mich durch den verführerisch duftenden Garten des Anwesens zum Privatstrand geleitet, vorbei am hauseigenen Tennisplatz
     und einem etwas abseits liegenden Gartenhaus, das Uschi und ihr Mann Josef bewohnen. Die malerische Bucht ist zu beiden Seiten
     von Felsen eingerahmt. An einem Steg dümpelt ein Schlauchboot, bereit, Gäste zur familieneigenen Motoryacht überzusetzen.
     Sie liegt ein paar hundert Meter weiter vor Anker und trägt den Namen
Bertolt Brecht
. Ich halte es für eine hübsche Idee, Luxusgütern Namen berühmter Kommunisten zu geben. Derweil meine Gedanken um einen neuen
     Mercedes-Geländewagen in einer Leo-Trotzki-Edition kreisen, erzählt mir Melissa, dass Karl ein großer Bewunderer Bertolt
     Brechts ist. Um ein Haar hätten die beiden sogar mal zusammengearbeitet, sie erspare mir aber die Details, denn der alte
     von Beuten werde mir die Geschichte sicher bei nächstbester Gelegenheit selbst erzählen. Ich habe ihr nur mit halbem Ohr zugehört,
     weil ich meinen Leo-Trotzki-Mercedes im Geiste gerade serienmäßig mit leninroten Ledersitzen und einem Brüder-zur-Sonne-Schiebedach
     ausstatte.
    «Ich habe in Ihrem Dossier gelesen, Sie sind unverheiratet, Mr.   Schuberth», sagt Melissa, derweil wir die Treppen zum Haupthaus hinaufsteigen, um unsere Besichtigung dort fortzusetzen.
    |24| «Geschieden», antworte ich.
    «Oh. Das tut mir leid», erwidert Melissa.
    «Das muss es nicht. Ist auch schon eine Weile her.»
    Melissa nickt verständig. «Haben Sie Kinder?»
    «Nicht direkt», sage ich. «Meine Exfrau hat ein Kind mit in die Ehe gebracht. Sophie ist meine Quasitochter geworden.»
    Wieder nickt Melissa. «Wir sind ja auch eine Patchworkfamilie», erwidert sie, und für das Wort «Patchwork» verwendet sie
     derart exzellentes Oxford-Englisch, dass
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